Medienstudie

Kommunikations-Profis vernachlässigen klassische Medien - zu Unrecht

Ekel (Bild: Lies Thru a Lens/Wikipedia CC2.0)
Ekel

13.03.2019 - Social Media statt Print, Internet statt Fernsehen: Kommunikations-Profis setzen mit ihren Marketingmassnahmen aufs falsche Pferd, weil sie aus schlechtem Gewissen über das Ziel hinausschiessen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie.

von Joachim Graf

Soziale Medien seien der beste Weg, um die meisten Konsumenten zu erreichen - dieser Meinung sind 79 Prozent befragter PR-Profis. Tatsächlich beziehen aber nur 44 Prozent der volljährigen Deutschen Nachrichten, Unterhaltendes und Produktinformationen aus dem Social Web. Die Wahrheit ist vielmehr: Die größte Breitenwirkung zeigt weiterhin das klassische Medium Fernsehen, über das sich 86 Prozent der Deutschen informieren.

Auch bei anderen Kanälen gilt: Die Profis unterschätzen die Reputation der klassischen Medien. Das zeigt die Studie Wege zum Verbraucher 2020 der Hamburger Kommunikationsberatung Faktenkontor in Kooperation mit Marktforscher Toluna. Die Untersuchung stellt die Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage unter 2.000 Deutschen ab 18 Jahren denen einer Expertenbefragung von 265 Mitarbeitern aus PR-Agenturen und Pressestellen verschiedener Unternehmen gegenüber.

Laut der Studie schätzen Kommunikations-Profis redaktionelle Internetmedien ähnlich hoch im Kurs ein für Verbraucher: 77 Prozent sehen sie als bevorzugten Kanal, wenn es darum geht, möglichst viele Verbraucher zu erreichen. Das sehen die dummen, analogen Verbraucher allerdings anders: lediglich 47 Prozent der Bundesbürger geben an, dass Informationen sie über Onlinemedien erreichen.

Die digitalisierte Fehleinschätzung setzt sich fort: So sehen nur 45 Prozent der Kommunikationsexperten gedruckte Zeitungen als massentauglichen Informationsweg an - obwohl sie weiterhin 59 Prozent der Bevölkerung als relevante Quelle dienen.

Dr. Roland Heintze, geschäftsführender Gesellschafter des Faktenkontors, sieht dies als Zeichen einer Überreaktion in der PR-Branche: "Lange Zeit haben wir die digitalen Medien sträflich vernachlässigt", so Heintze. "Jetzt versucht die Branche, diesen Fehler wieder gut zu machen - und schießt dabei über das Ziel hinaus. Eine erfolgreiche Kommunikationsstrategie hat sowohl klassische als auch digitale Medien im Blick. Über welchen Kanal welche Informationen gesendet werden, entscheidet sich ausschließlich anhand der Zielgruppe."

Mit einer Abweichung von 35 beziehungsweise 30 Prozent schätzen die Kommunikationsprofis das digitale Nutzungsverhalten der bundesdeutschen Bevölkerung bei Social-Media und Onlinemedien zwar am fälschesten ein. Aber auch bei Blogs (Abweichung 8 Prozent) und gedruckten Magazinen (Abweichung 7 Prozent) lagen die Profis daneben. Online-Newsseite und die Internet-Seiten von Unternehmen nutzen Bundesbürger hin gegen öfter als die Experten vermuten (Abweichung jeweils -2 Prozent).

Wie anfällig für Technologie-Hypes die Kommunikations- und Marketingbranche ist, zeigt sich bei Podcasts: Hier schätzten die Kommunikationsverantwortlichen die Reichweite auf 3 Prozent. Tatsächlich liegen die Online-Audiomagazine bei bevölkerungsrepräsentativer Befragung unterhalb der Nachweisgrenze - ausgewiesen als null Prozent.

Die Studie "Wege zum Verbraucher 2020" (250 Euro) untersucht, inwieweit die tatsächliche Nutzung unterschiedlicher Medientypen zur Informationssuche in der Bevölkerung den Erwartungen deutscher Kommunikationsexperten entspricht bzw. von ihr abweicht. Grundlage ist eine nach Alter, Geschlecht und Bundesland repräsentative Online-Befragung von 2.000 Deutschen ab 18 Jahren sowie eine B2B-Kommunikatorenbefragung unter 265 Mitarbeitern aus PR-Agenturen und Pressestellen verschiedener Unternehmen.

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