Tatort Supermarkt: Angenommen, ein Kunde hat eine Glutenunverträglichkeit und versucht außerdem, auf Fleisch und Industrie-Zucker zu verzichten. Darüber hinaus ist es ihm wichtig, dass er seinen CO2-Fußabdruck beim Einkaufen so gering wie möglich hält. Dieser immens gestiegene Anspruch an die Ernährung eröffnet den Handel die Möglichkeit, mit dem Kunden zu interagieren, indem er ihm passgenaue Angebote macht und ihn damit an sich bindet.
Klingt nach einer Chance - und wird bereits praktiziert: Der norwegische Lebensmittelgroßhandelskonzern NorgesGruppen
hat ein Kundenbindungsprogramm über alle Handelsmarken etabliert. Die zentrale "trumf"-App wird von 40 Prozent der Bevölkerung genutzt. Mit der App ist NorgesGruppen in der Lage, Konsumenten über alle Kanäle und Plattformen hinweg zu erkennen. Denn das Unternehmen sammelt kontinuierlich Daten über Produkte, Preise, Geschäfte und Kaufverhalten und führt diese zentral zusammen. Um schließlich personalisierte und intelligente Services in einem umfassenden Ökosystem anzubieten.
Es gilt, auf Basis datengestützter Einblicke Konsumenten über verschiedene Kanäle - im stationären Handel, im eigenen Onlineshop, auf Marktplätzen und via Social Media - hinweg konsistent, nahtlos und individuell anzusprechen. Erforderlich dafür ist eine datengetriebene Omnichannel-Strategie. Welche Strategien, Ansätze und Technologien sind dafür notwendig?
Der Konsument im Mittelpunkt, Personalisierung der Erfolgsfaktor
Er ist heute wählerisch, preisbewusst, oft gestresst und schnell gelangweilt. Gleichzeitig will er inspiriert werden - und das hauptsächlich digital. Daher gilt es, den anspruchsvollen Konsumenten in das digitale Ökosystem des Händlers zu ziehen und zu halten. Tatsächlich nutzt bereits jeder zweite Konsument in Deutschland unternehmenseigene Kundenprogramme - meist in Form von Apps.
Erfolgreiche Omnichannel-Kundenbindung läuft prinzipiell über drei Ebenen ab: An erster Stelle steht der Nutzen des Verbrauchers. Nur wenn es Händlern gelingt, Einkaufserlebnisse auf individuelle Bedürfnisse zu zuschneiden, kommen Kunden wieder. Es geht darum, die Einkaufswünsche der Verbraucher - wie günstige, trendige, gesunde, kalorienarme oder nachhaltige Produkte - anzubieten. Personalisierung ist dabei ein zentraler Faktor.
Die zweite Ebene spielt sich monetär ab. Coupons, Rabatte oder Boni schaffen Anreize. Beispielsweise sollten Händler nicht auf irgendwelche, sondern auf die Produktgruppen Rabatte geben, die für den Kunden relevant sind. Das macht den Unterschied. Denn der monetäre Benefit ist so strategisch auf den persönlichen Bedarf ausgerichtet und sorgt für ein besonders positives Kundenerlebnis. Darüber hinaus können Händler Kunden auch mit einem Bonus belohnen. Beispielsweise sparten trumf-Nutzer im Jahr 2022 über 125 Millionen Euro an Boni an. Jeder User erhielt am Ende des Jahres im Durchschnitt um die 56 Euro. Bei trumf lassen sich die Kunden ihren Bonus auszahlen, spenden ihn an ausgewählte gemeinnützige Organisation, lösen ihn bei Partnerunternehmen wie Fluggesellschaften oder Hotelketten ein oder reinvestieren ihn wieder in die angeschlossenen Lebensmittelgeschäfte.
Der dritte Faktor ist die Bequemlichkeit. Grundsätzlich sollten Händler es dem Kunden so leicht wie möglich machen, an den unterschiedlichen Touchpoints mit der Marke erfolgreich zu interagieren - von den ersten Berührungspunkten über den Check-out beim Kauf bis zum Kundenservice bei Reklamationen. Es gilt, eine emotionale Bindung aufzubauen - weg von der transaktionsbasierten Steuerung hin zum beziehungsgesteuerten, personalisiertem Kunden-Management über alle Kanäle hinweg.
Kundenbedürfnisse technologiebasiert erarbeiten
Omnichannel-Strategien sind auf der Grundlage von datengestützten Erkenntnissen und Kundenfeedback zu erarbeiten, um effizient und effektiv zu sein. Dabei sollten entsprechende Konsumentensegmente identifiziert werden, um Menschen individuell und personalisiert ansprechen zu können. Mithilfe von Daten lassen sich Kaufhistorie, demografische Daten und Vorlieben analysieren und darauf basierend kuratierte Angebote unterbreiten, die letztlich die Kundenbindung und -zufriedenheit erhöhen.
Fast zum Standard gehört es, dass Unternehmen auf Predictive Analytics mittels Künstlicher Intelligenz (KI) setzen - mit dem Ziel, verwertbare Erkenntnisse über Kundenverhalten, Präferenzen und Trends zu gewinnen. Dies hilft bei der Personalisierung von Kundenerlebnissen und der Vorhersage künftigen Verhaltens.
Aber auch das digitale Produkt sollte stetig verbessert werden, um eine beeindruckende Omnichannel Experience liefern zu können. "Experimentation" im großen Stil ist einer der Treiber, um die Customer Experience zu optimieren und um digitale Produkte kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dabei werden Hypothesen erstellt sowie Ideen und neue Ansätze systematisch und kontinuierlich getestet. So wird das digitale Produkt immer besser an die Kundenbedürfnisse angepasst - mit messbarem Erfolg.
Die Omnichannel Experience sollte aber nicht nur durch App-Daten und -Analysen gesteuert und gestaltet werden. Denn das Nutzerverhalten im Geschäft in Verbindung mit den digitalen Kundenbindungsservices spielen ist entscheidend, um Kunden in der Tiefe zu verstehen. Deshalb sollten Händler auch die Aktivitäten im Laden analysieren und dazu Kundenbefragungen durchführen. Bei NorgesGruppen führte das zu einer Neustrukturierung des App-Bereichs "Rezepte". Man fand heraus, dass Kunden ihre Rezepte personalisiert wollen - und zwar auf ihre individuellen Ernährungsbedürfnisse und Vorlieben zugeschnitten. Wer Veganer ist, braucht eben keine Anleitung für einen Rinderschmorbraten. Darüber wünschen sich die Kunden Rezepte mit Produkten, die sie schnell im Laden finden - eine Alltagssituation, die jeder kennt. Der tatsächliche Kundenwunsch: In "5 Schritten" zum Dinner zu kommen. Solche Use Cases erhöhen die Loyalität zur Marke beträchtlich und tragen zur Kundenzufriedenheit bei.
Technologieplattform als zentralen Datenhub aufsetzen
Gerade wir Deutsche gelten als eher zurückhaltend, wenn es darum geht, persönliche Daten zu teilen. Dies geschieht oft nur im Austausch gegen relevante Benefits und personalisierte Kundenerlebnisse. Zudem müssen die Daten sicher sein und nach rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Dafür ist eine Technologieplattform als Basis und Bindeglied zwischen Marke und Kunde notwendig. Es gilt, robuste Datenverwaltungssysteme aufzusetzen und die Daten für alle Business Units bereitzustellen. Durch die Implementierung einer solchen Strategie und der Umsetzung einer unternehmensweiten einheitlichen Datenquelle können Unternehmen in Echtzeit auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen.
Viele Unternehmen bauen derzeit entsprechende Programme und digitale Plattformen auf. So will sich etwa Rewe bis Ende des Jahres von Payback lösen und auf ein eigenes Loyality-Programm setzen. Mit dem eigenen Hub können Händler Daten intelligenter, flexibler, in Echtzeit sowie kanalübergreifend nutzen und besser skalieren. Folglich müssen Firmen in eine robuste technologische Infrastruktur und Plattformen investieren, die Omnichannel-Funktionen unterstützen, einschließlich CRM-Systemen, Experimentation-Funktionen, Marketingautomatisierungsplattformen und integrierten Analysetools.
Datenbasierte Omnichannel-Kundenbindung, die Konsumentenbedürfnisse und -wünsche in den Mittelpunkt stellt, ist für Händler ein Muss, um in einem hart umkämpften Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben. Nur mithilfe einer entsprechenden Strategie und einer datenbasierten, holistisch angelegten und persönlichen Kundenansprache lassen sich Konsumenten über den gesamten Customer-Lifecycle an sich binden. So profitieren alle.
Bild: Forte Digital Central Europe
ONEtoONE-Gastautor Joachim Bader
ist Managing Partner bei der Digitalberatung Forte Digital
Central Europe. Seit über 20 Jahren fokussiert er als Berater und Retail-Experte auf Digital Businesses und Digital Experiences.