Product-Experience-Management

Wie KI Produktdaten zum Leben erweckt

13.09.2024 - Produktdaten gehören zu den wichtigsten Assets eines Shops - eigentlich besteht er aus nichts anderem! Trotzdem nutzen nur wenige Händler das volle Potenzial dieses Schatzes aus.

von Dominik Grollmann

Produktdatenpflege? Klingt nach langweiliger Grundlagenarbeit. Genau das macht Produktdaten aber fundamental wichtig für einen Onlineshop. Sie sind die Basis für jeden Umsatz und zugleich eine wichtige Grundlage zur Steuerung der Customer Experience. Weshalb sich aus beiden Begriffen eine eigene Disziplin gebildet hat: Product-Experience-Management, kurz PXM.

Darunter versteht man die Anreichung der Produktdaten um den Kontext der KundInnen. Klingt kompliziert? Das Thema lässt sich an einem einfachen Beispiel illustrieren:

Ein Kunde will sein Badezimmer renovieren und vereinbart einen Termin mit dem Installateur. Der plant Rohrleitungen, Anschlüsse und Duschkabine nicht mehr wie früher mit Zollstock, Herstellerkatalog und Stückliste, sondern konfiguriert, visualisiert und präsentiert die zukünftige Ausstattung interaktiv in einer 3D-Ansicht auf seinem Tablet. Die Produktdaten werden genutzt, um den Kunden zu inspirieren und Begehrlichkeit zu wecken.

Im Hintergrund wird der Auftrag zugleich in eine Stück­liste heruntergebrochen und in Echtzeit der Preis kalkuliert - die Produktdaten dienen der Information und Vergleichbarkeit. Zuletzt wird durch das System die Bestellung beim Hersteller generiert und für den Handwerker ein neues Projekt in der integrierten Verwaltung angelegt? inklusive Terminabstimmung bei der Kundin bzw. beim Kunden und Just-in-Time-Lieferung in den Betrieb.

Das Beispiel ist nicht fiktiv: Der Duschkabinenhersteller Duscholux   und Reflex-Winkelmann   , ein Anbieter für Installationsmaterial, haben mit dem PIM-Anbieter Myview     genau eine solche Anwendung umgesetzt. Aus der einfachen Materialliste des Herstellers wird so ein Einkaufserlebnis, das weit über das Ordern einzelner Artikelpositionen hinausgeht.

PXM braucht Produktdaten, aber Produktdaten sind noch kein PXM


Ein wenig komplizierter wird es, wenn der Verkauf nicht in einem klar strukturierten Prozess, wie bei der Badrenovierung, stattfindet. Verkaufspsychologen wissen längst, dass die meisten - wenn nicht alle - Einkäufe nicht allein der Bedarfsdeckung dienen, sondern auch andere Motive (wie Selbstverwirklichung, Sicherheitsbedürfnis oder sozialer Status) eine entscheidende Rolle spielen. Doch wie kann ein Online-Händler Motiv und Kaufphase seiner KundInnen unterscheiden?

"Wenn wir verstehen, welche Bedürfnisse unsere Artikel befriedigen, verstehen wir unsere Kunden besser." (Bild: Philipp Göller)
"Wenn wir verstehen, welche Bedürfnisse unsere Artikel befriedigen, verstehen wir unsere Kunden besser."

Ausgerechnet die vermeintlich drögen Produktdaten geben darüber Auskunft, hat Philipp Göller, Chef der auf KI-Anwendungen für den Onlinehandel spezialisierten Softwarefirma Paraboost   aus Markgröningen herausgefunden. "Wenn wir wissen, auf welche Produkte die KundInnen klicken, was sie kaufen, was sie retournieren, können wir etwas sehr Wertvolles über unsere KundInnen erfahren", erklärt er. "Denn hinter jedem Artikel steht ein Bedürfnis, das er befriedigt. Wir können also die Bedürfnisse unserer KundInnen verstehen." Die Artikeldaten selbst enthalten zwar nur nüchterne Informationen wie Kategorie, Hersteller, Modell, Typ, Farbe, Größe und die Artikelbeschreibung. Eine generative KI wie ChatGPT ist aber in der Lage zu verstehen, dass ein Airbag-Helm für Radfahrer oder ein hochwertiges Sicherheitsschloss ein Sicherheitsbedürfnis erfüllen, während eine stylische Sonnenbrille eher einem sportlichen und statusbewussten Biker entspricht.

Zur Kategorisierung der Kaufmotive hat Göller die Maslow'sche Bedürfnishierachie (auch als Bedürfnispyramide bekannt) gewählt. Göllers Firma Paraboost lässt den kompletten Produktkatalog von Onlineshops durch eine KI danach bewerten, welche der Bedürfnisse aus der Maslow'schen Hirarchie von den einzelnen Artikeln befriedigt werden können. Eine Analyse des aktuellen Warenkorbs und der vorangegangenen Einkäufe bringt dann schnell ans Tageslicht, in welcher Phase sich ein Käufer gerade befindet. Etwa: Steht beim Sicherheitswimpel für das Kinderfahrrad eher der Aspekt "Sicherheit" (reflektierende Signalfarbe) oder der Aspekt "Individualisierung" ("Lillifee"-Motiv) im Vordergrund?

Diese Information lässt sich einerseits verwenden, um die Prediction Engine zu schärfen, aber auch um die Kundenansprache zu verbessern. "Wir haben festgestellt, dass die Maslow'schen Bedürfniskategorien zu den Top-Variablen zur Errechnung der Customer Lifetime Value gehören", sagt Göller. Das zukünftige Käuferverhalten und die Kaufwahrscheinlichkeit lässt sich anhand der Bedürfnisphasen präzisieren, weil sich die Persönlichkeitsentwicklung auch im Kaufverhalten widerspiegelt. Produktbeschreibungen, Newsletter und Marketing-Material lassen sich entsprechend anpassen, Zielgruppen feiner definieren.

PXM: Daten zielgruppenspezifisch erweitern


"Mit PXM wird die Produktdatenbackend zu einem echten Umsatztreiber." (Bild: Contentserv)
"Mit PXM wird die Produktdatenbackend zu einem echten Umsatztreiber."

Noch eine Runde weiter dreht der amerikanische PIM-Hersteller Contentserv das Rad: Dort werden nicht nur die impliziten Nutzersignale genutzt, die KundInnen durch die eigene Produktauswahl abgeben, sondern auch die expliziten Äußerungen - etwa die, die in Kundenkommentaren enthalten sind. Entscheidend dafür ist, dass das PIM Feedback aus den verschiedensten Kanälen auswerten kann, erklärt Michael Kugler, CEO von Contentserv   : "Es geht darum, einen kontinuierlichen Feedback-Kreislauf zu schaffen, der es Unternehmen ermöglicht, ihre Inhalte effektiver zu verwalten und zu verbessern", so der Manager.

Das Konzept basiert auf der Idee, mit künstlicher Intelligenz ein selbstlernendes System zu schaffen. Beispiel: Wenn KundInnen in ihren Bewertungen ein bestimmtes Produktmerkmal lobend erwähnen, erkennt das System den Wert dieser Information und kann die Produktbeschreibung anpassen. Das entsprechende Detail wird deutlicher - oder: überhaupt erst - hervorgehoben.

Das System kann dabei differenzieren, auf welchen Kanälen sich die KundInnen bewegen und ob sie auf einem B2C-Marktplatz anders ticken als in einem B2B-Portal oder in einem Markenshop. Auf diese Weise werden die Produktbeschreibungen gesondert erstellt und optimiert.

"Mit 'Close the Loop' schließen wir den Kreislauf, indem wir Channel-Insights in Echtzeit zurückbringen und die Konversionsrate in den Kanälen unserer KundInnen optimieren", betont Kugler und ergänzt: "Aber auch das ist erst der Anfang eines KI-gestützten Kreislaufs, der in einer umfänglichen Product Experience endet." Denn über den Rückkanal lassen sich nicht nur die Inhalte für einen Kanal optimieren, sondern auch die Zielgruppe und ihr Nutzungsverhalten besser verstehen. Diese Informationen können nicht nur im Marketing, sondern auch in der Entwicklung berücksichtigt werden. Am Ende fließen die gesammelten und automatisiert ausgewerteten Kundeninformationen so wieder zurück bis in die Produktion.

PIM wird so vom reinen Produktdatenbackend zu einem echten Umsatztreiber. Zumal Anbieter durch Digital Shelf Analytics - die systematische und regelmäßige Erfassung und Analyse von öffentlichen ECommerce-Daten von Plattformen - schnell und präzise auf den Wettbewerb reagieren und die "4P" (Product, Place, Promotion, Price) jederzeit bewerten und anpassen können.

PXM-Anbieter:
Myview Systems: myview.de    
Paraboost Data Science: paraboost.de  
Contentserv: contentserv.com/de/  

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