26.07.2021 - Nachhaltigkeit ist aktuell das zentrale Thema in der Markenkommunikation. Vom Greenwashing zu einem grundlegenden Wandel ist aber ein weiter Weg. Dr. Sarah Müller, CCO bei Photovoltaikanlagen-Anbieter Zolar, erklärt im Interview mit ONEtoONE, was eine nachhaltige Marketingstrategie auszeichnet.
von Christina Rose
Es gibt kaum Unternehmen, die sich nicht das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreiben, nicht zuletzt, weil die VerbraucherInnen das immer mehr einfordern. Aber wie nachhaltig sind deren Strategien tatsächlich und wie nachhaltig hat sich das Verbraucherverhalten verändert?
"Beim Verbraucherverhalten sehen wir einen riesigen Wandel. Aber auch hier gibt es - wie bei den Unternehmen - zwei Gruppen: Es gibt diejenigen, für die Nachhaltigkeit bedeutet, den Konsum umzustellen oder im Zweifel sogar zu reduzieren. Und es gibt die, die auf "grüne Produkte" anspringen und sagen: 'Ja, ich kaufe nachhaltig'. Einer Utopia-Studie aus dem vergangenen Jahr zufolge schätzen KonsumentInnen den Impact ihres Verhaltens für diese beiden Verhaltensweisen etwa gleich ein, heißt etwa die Hälfte glaubt einen Beitrag zu leisten, indem ich entsprechende als nachhaltig gelabelte Produkte konsumiere. Für etwa gleich viele besteht ihr Beitrag darin, ihren Konsum zu reduzieren. Wobei es beim tatsächlichen Impact gravierende Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen gibt. So sieht man das auch bei den Firmennachhaltigkeitsversprechen. Man muss auch als KonsumentIn sehr genau hinschauen, was dahintersteckt.
Was heißt das für Unternehmen: Wann funktioniert die Positionierung in Richtung Nachhaltigkeit und wie kommuniziere ich diese an beide Gruppen von VerbraucherInnen?
"Hier gibt es drei Arten von Unternehmen: Es gibt diejenigen, die einen echten Impact leisten, weil sie Produkte haben, die Schaden vermeiden oder reduzieren. Dann gibt es Unternehmen, die mit Nachhaltigkeit werben, dies aber in Form von Kompensation tun. Sie lösen immer noch einen gewissen klimatischen Schaden aus, gleichen diesen aber durch andere Maßnahmen aus. Und dann gibt es die Unternehmen, die lediglich Greenwashing betreiben, also beispielsweise ihren Verpackungen und ihrer Corporate ID (Logo etc.) einen vermeintlich umweltfreundlichen Anstrich geben. KonsumentInnen stehen vor der schwierigen Aufgabe bewerten zu müssen, mit welcher Form von Nachhaltigkeitskommunikation sie es gerade zu tun haben - denn der resultierende Impact, der entsteht, variiert stark.
Auf Verbraucherseite gibt es auch nicht nur die Nachhaltigkeitsjünger und -verweigerer. Zwar erwarten KonsumentInnen von Marken, dass sie sich nachhaltig positionieren. Selbst sind sie aber nicht immer konsequent. Der eigene Schweinehund in Form von Bequemlichkeit und der Wunsch nach Vergnügen sind da oft stärker. Wie deckt man das als Unternehmen in der Kommunikation ab?
"Wir müssen uns als Unternehmen daran messen lassen, wie man diesen Impact für KonsumentInnen transparent macht. Die grüne Verpackung, die in Wahrheit vielleicht gar nicht umweltfreundlicher ist als die alte oder das grüne Logo allein reichen eben nicht aus. Es muss in der Kommunikation klar werden, worin der echte und messbare Effekt in Sachen Nachhaltigkeit besteht - ob das in Form von CO2-Reduktion ist oder in Zahlen, wie viel Verpackungsmaterial tatsächlich eingespart wird. Das macht man am besten, indem man den ganz persönlichen Impact des einzelnen Verbrauchers in den Vordergrund stellt: Also nicht: wir reduzieren unseren CO2-Ausstoß im Jahr um XY Prozent, sondern: durch ihren Kauf schaffen Sie es XY Tonnen von ihrem jährlichen Carbon-Footprint zu reduzieren. Auch kann es helfen die häufig abstrakten Größen wie z.B. CO2-Ausstoß konkret zu machen: Die durchschnittliche Reduktion des CO2-Ausstoßes durch eine 10 kWp Solaranlage entspricht beispielsweise in etwa 19.000 gefahrenen Kilometern mit dem Auto.
Wie gut gelingt das schon?
"Gerade ist es en vogue, Nachhaltigkeit zu kommunizieren. Nehmen wir mal das Beispiel Fußball-Europameisterschaft. Sponsoren sind Automobilhersteller, die gerne mit 'Nullemission' und Nachhaltigkeit werben. Aber wenn man schaut, wie weit man noch davon entfernt ist, in dieser Industrie von Nullemission sprechen zu können, ist das ein weiter Weg. Manche Unternehmen haben ihren ökologischen Fußabdruck stark verkleinert und kommunizieren dies gut. Wie zum Beispiel Supermarktketten, die mittlerweile wieder mehr unverpackte und regionale Produkte anbieten.
Was machen diese Firmen besser als andere?
"Wenn man diesen Weg geht, hat man eine End-to-End-Verantwortung. Es gibt viele Ökosiegel, die punktuell einzelne Aspekte herausgreifen: Wie nachhaltig ist meine Verpackung? Wie viel CO2 spare ich bei der Produktion ein? Das Problem vieler Unternehmen dabei ist, dass sie meist nur ihre eigene Wertschöpfungskette im Blick haben und nicht schauen, was davor und danach passiert. Und dann gibt es Unternehmen, die die ganze Wertschöpfungskette betrachten, ihren Impact messbar und für die KonsumentInnen transparent machen.
Bei Zolar beispielsweise können sich KundInnen passgenau ihre Solaranlage für ihr Dach konfigurieren, die sie dann kaufen. Und mit jedem Angebot für ein Produkt zeigen wir, wie hoch damit die persönliche CO2-Ersparnis ist. Bei einer durchschnittlichen Anlage sind das vier Tonnen, was einer CO2-Menge von sechs Hin- und Rückflügen von Berlin nach Mallorca entspricht.
Und auf welchen Kanälen rede ich darüber?
"Das hängt von Ihrem Produkt ab. Am wichtigsten ist auch hier, dass im ganzen Unternehmen gelebt wird, was man vermitteln will. Das kann die Führungsriege sein, die auf Business-Netzwerken darüber berichtet bis hin zu Instagram, Youtube & Co. und - sofern Sie ein physisches Produkt haben - auf der Verpackung. Sie haben mit Zolar, einer digitalen Plattform für Solarenergie, ein Produkt, das prädestiniert ist, solche Vergleiche zu ziehen.
Wenn ich aber ein Produkt oder eine Marke habe, die per se viel weiter von dem Thema entfernt ist, woran orientiere ich mich?
"Man kann mit seinen (potenziellen) KundInnen sprechen und mit ihnen zusammenarbeiten, um deren Bedürfnisse zu verstehen und dies auch vermitteln zu können. Außerdem sollte man sich klare Ziele für das Thema Nachhaltigkeit setzen und überlegen, wie ich diese Schritt für Schritt erreiche. Und zwar am besten, bevor ich anfange darüber zu kommunizieren. Also nicht: 'Tue Gutes und rede darüber' sondern 'Practice what you preach'. Man sollte erstmal sicherstellen, dass man sich selbst entsprechend verhält, bevor man anfängt darüber zu sprechen."
Nun ist Zolar ein Start-up. Sie haben zuvor ja auch schon Erfahrungen im Konzern (Hubert Burda Media und Kununu) gesammelt. Welche Unterschiede haben Sie hier festgestellt, wie mit dem Thema Nachhaltigkeit umgegangen wird?
"Der Purpose macht den Unterschied, mit dem man loslegt. Zolar ist ja mit dem Ziel gestartet, den Klimawandel zu stoppen und hat dafür ein Geschäftsmodell entwickelt. Wenn man klassische Industrien anschaut, sind die mit dem Ziel gestartet, die besten Autos zu produzieren, das schönste Hotel zu bauen etc. und fangen jetzt an, das auf eine nachhaltige Art und Weise zu tun. Da ist der Turnaround etwas schwieriger zu vermitteln.
Was muss sich in Zukunft ändern? Was sind die dringendsten Handlungsfelder mit Blick auf Nachhaltigkeit?
"Ein wichtiges Handlungsfeld ist es, Transparenz für die KundInnen zu schaffen. Wollen wir echte Effekte, müssen wir es schaffen, dass auch sie sich mit ihrem Verhalten auf den Impact messen lassen. Viele verhalten sich ambivalent. Im Marketing gibt es dafür ein spannendes Modell: Moral Licensing, das mir ein moralisches Selbstbild meines Verhaltens vermittelt. Solange das im Lot ist, kann ich mir auch immer wieder erlauben davon abzuweichen. Dazu gibt es spannende Studien: Wenn Sie gerade Bio-Produkte gekauft haben, lügen Sie danach häufiger. Einfach weil Sie mit sich selbst im Reinen sind. Genau das müssen wir verhindern. Das ist noch eine große Herausforderung. Und was aktuelle Zahlen zudem zeigen: Der Impact, den Konsumenten der Wirtschaft bei diesem Thema zuschreiben, ist größer als der der Politik. Am
Ende muss jede/r KonsumentIn und jedes Unternehmen über seinen eigenen ökologischen Fußabdruck informiert sein, um den eigenen Handlungsspielraum und die Optimierungspotenziale zu erkennen.
Weiteren Themenschwerpunkten, wie beispielsweise Checkout-Marketing oder Employer Branding in Social Media, sind neben dem vorliegenden Interview hier
für Sie als E-Paper, Ausgabe 07-08/2021 zu lesen.
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