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Interview mit Customer Experience-Specialist

Warum Sie jetzt einen Chief Experience Officer brauchen

Auf das Einkaufserlebnis kommt es an. (Bild: Midjourney/ Sebastian Halm)
Auf das Einkaufserlebnis kommt es an.

23.04.2024 - ONEtoONE sprach mit Svenja Niemeyer, CX Solution Strategist bei dem UX-Spezialisten Qualtrics, über die Schwierigkeit, ganze Unternehmen auf Kundenkurs auszurichten und die Frage, was ein CXO daran ändern würde.

von Dominik Grollmann

Qualtrics ist einer der größten UX-Anbieter und -Spezialisten weltweit. Das 2002 gegründete Unternehmen, das eine enge Partnerschaft mit SAP pflegt und bis März 2023 sogar zum Konzern gehörte, berät in 20 Büros auf fünf Kontinenten über 18.000 Marken.

ONEtoONE 1/2024 - Customer Experience

OtO: Customer Experience ist ein Dauerbrenner in der Digital-Marketing-Branche. Hat die gestiegene Aufmerksamkeit der letzten Jahre zu einer spürbaren Verbesserung geführt?
Svenja Niemeyer: Die Awareness ist gerade im C-Level deutlich gestiegen. Wo früher noch um Aufmerksamkeit gekämpft werden musste, kommt heute der Push eher aus der Führungsebene. Viele Unternehmen haben Customer Centricity heute schon in ihren Strategiepapieren. Das ist begrüßenswert. Allerdings sehen wir, dass die Schere weiter auseinander geht. Auf der einen Seite gibt es viele Unternehmen, die einen guten Job machen und die Kundenzentrierung weiter in den Vordergrund stellen. Auf der anderen Seite gibt es aber immer noch Firmen, die ganz am Anfang stehen.

Das heißt, der Druck ist gestiegen?
Genau! Die Konkurrenz ist stärker geworden, dadurch steigt auch die Kundenerwartung. Wer da nicht mitgehen kann, fällt zurück. Das spüren die Unternehmen.

Die Unternehmen kennen das Thema und spüren ihre Defizite - warum können sie ihre Customer Experience dann nicht ganz einfach selbst verbessern? Woran hapert es?
Viele Unternehmen machen ein bisschen Marktforschung, nutzen da ein Umfragetool und hier ein paar Daten aus dem CRM-System. Das genügt sicherlich, um zu merken, wenn etwas nicht stimmt. Aber wenn es darum geht, das ganzheitliche Kundenerlebnis zu betrachten und dann auch noch nachhaltig zu verbessern, dann stößt man schnell an Grenzen. Zum Beispiel ist es wichtig, alle Fäden im Unternehmen an einem zentralen Ort zusammenzuführen. Das ist eine größere organisatorische Aufgabe und oft auch eine Frage der richtigen Technologie.

Sie raten, das Vorgehen in die drei Kategorien "Listen", "Understand" und "Act" zu unterteilen. Was ist am schwierigsten?
Meistens klappt es mit dem "Listen" noch ganz gut. Deswegen kommen die Unternehmen ja auch zu uns - weil sie bemerkt haben, dass etwas nicht stimmt. Auch "Understand" ist meistens nicht die größte Herausforderung. Wer zuhören kann, versteht auch, wo es hapert. Am schwierigsten ist zweifellos der Teil "Act". Da geht es eben oft an die Veränderung von Prozessen und es kann richtig schmerzhaft werden, wenn man im Unternehmen etwas anstoßen will. Die richtigen Teams zusammenzubringen, Mitarbeiter aus ihrem Alltag herauszuholen und Prozesse zu verändern, ist immer die größte Schwierigkeit.

Customer Experience ist also vor allem eine Management- und weniger eine Software-Aufgabe?
CX ist eine Management-Aufgabe, aber Software hilft dabei. Man kann das Thema auf drei Dinge herunterbrechen: Einmal sitzen viele Teams in einem sprichwörtlichen Silo. Sie arbeiten fleißig an ihrem Projekt - sei es an der Website, am Shop oder an der Marketing-Kampagne - und werden an diesem Erfolg gemessen. Es fehlt aber der übergreifende Blick. Der kann nur entstehen, wenn die Teams vom Management auch ermutigt werden - das ist auch schon das zweite Thema. Die Mitarbeitenden müssen daran gemessen werden, übergreifend zu denken. Dazu braucht es - jetzt sind wir bei Thema drei - eine Unternehmenskultur, die den Kunden in den Mittelpunkt stellt und kontinuierlich fragt: "Was möchte der Kunde oder die Kundin? Was müssen wir verändern, neu oder besser machen?"

Bestehende Strukturen zu verändern, ist eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt. Hilft es, wenn man die Position eines dezidierten CX-Managers schafft?
Das Thema am richtigen Team aufzuhängen ist ganz wesentlich. Es braucht einerseits einen Blick für's Analytische, gepaart mit den kommunikativen Fähigkeiten, eine Kultur langsam aber beständig zu verändern. Diese Mischung muss stimmen.

Mittlerweile gibt es auch immer mehr Unternehmen, die eine Stelle schaffen mit dem Jobtitel CXO, also einen Chief Experience Officer. Damit ist das Thema ganz oben angesiedelt. Wenn das der Fall ist, dann sehen wir auch die größten Effekte.

Der Kunde beurteilt ein Unternehmen aus der Summe aller Erfahrungen. Die Teams im Unternehmen sind aber in Abteilungen organisiert, haben begrenzte Aufgaben, bedingten Einfluss und einen eingeschränkten Blick. Kann mit dieser Struktur überhaupt eine zufriedenstellende CX gelingen?
Wir würden unseren Kunden nicht empfehlen, das ganze Unternehmen komplett neu aufzustellen. Arbeitsteilung und Expertentum haben schon einen Sinn. Aber wir empfehlen schon, öfter mal aus seinem Alltag herauszukommen und die Kundenbrille aufzusetzen.

Dazu ist es sinnvoll, alle an einen Tisch zu bringen und auch außerhalb der eigenen Teams mit einem Customer Journey Mapping nachzuvollziehen, wie Kunden das eigene Unternehmen eigentlich erleben. Auf diese Weise kann man Strukturen auch sanft aufbrechen und einen übergreifenden Blick schaffen.

Es kann auch helfen, mal selbst an die Front zu gehen und ein paar Tage beim Verkauf oder beim Support über die Schulter zu schauen, um zu verstehen, was da eigentlich passiert. Vor welchen Problemen stehen die KollegInnen dort, mit welchen Anforderungen treten die Kundinnen und Kunden an sie heran?

Sie haben gesagt, CX ist ein Management-Thema, aber Software kann unterstützen. Wie funktioniert das?
Ein wichtiges Technologie-Thema liegt darin, die verschiedenen Fäden im Unternehmen zusammenzuführen und zu zentralisieren. Es geht ja nicht nur darum, in Einzelumfragen Kunden und Kundinnen punktuell zu befragen und ihre Erfahrung zu messen, sondern um einen möglichst vollständigen Blick. Dazu müssen die Kundenerfahrungen mit anderen Daten zusammengebracht werden: Wie lange ist die Person schon Kunde? Welche Produkte wurden gekauft? Welche Umsätze erzielen wir mit ihm oder ihr? Dafür braucht es Software.

Und dann müssen diese Informationen in einem zweiten Schritt wieder an die Teams, die mit dem Kunden in Kontakt sind, zurückgespielt werden - und zwar in die Systeme, mit denen sie in der Praxis arbeiten. Wenn sich das Team beispielsweise sowieso mit Slack organisiert, will es nicht in ein zweites System reingucken müssen. Wer im Laden steht, will die Informationen vielleicht lieber in einer App, weil er während des Verkaufsgesprächs nicht mal eben an den Laptop kann.

Daten einholen, verknüpfen, aufbereiten und dorthin ausspielen, wo sie gebraucht werden - das ist die wesentliche Software-Aufgabe. Eine gute Customer Experience setzt voraus, dass auch die Mitarbeitenden eine gute Experience haben.

Wie herum muss ich das Pferd aufzäumen: Muss ich erst meine Hausaufgaben hinsichtlich Daten, Struktur und Management machen und dann die CX-Plattform einführen? Oder hilft mir die CX-Plattform dabei, meine Hausaufgaben zu erledigen?
Eine Kombination aus beidem. Tatsächlich denken viele zuerst: "Um Gottes Willen! CRM, Datenstrategie, Umfragetools - das haben wir ja alles gar nicht! Da brauchen wir ja noch fünf Jahre, bis wir anfangen können!" Aber so ist es nicht.

Wir empfehlen, mit kleinen Schritten zu starten und die Lösung über die nächsten Jahre aufzubauen. Denn sobald das Unternehmen beginnt, ein Programm aufzusetzen, wird sehr schnell klar, welche Daten fehlen oder an welchen Stellen die wichtigen Informationen eben doch liegen. Insofern hilft die Einführung eines Programms schon dabei, die richtige Struktur zu finden.Vor allem ist es wichtig, die ersten Erfolge zu teilen.

Gibt es Red Flags in Unternehmen, an denen Sie gleich erkennen "Oje ...das wird ein schwieriger Fall, hier wird es lange dauern"?
Das ist mir zum Glück noch nie passiert. Wahrscheinlich liegt das daran, dass Unternehmen, die zu uns kommen, ja schon den Willen zur Veränderung mitbringen. Damit ist die wichtigste Voraussetzung schon erfüllt.

Etwas schwieriger wird es, wenn ein Unternehmen sehr stark auf einzelne Kennziffern fokussiert ist. Die werden dann hoch und runter gebetet und der Fokus verschiebt sich vom Handeln zum reinen Messen. Das verengt den Blick und das tut nicht immer der gesamten Customer Journey gut. In solchen Fällen muss man den Blick etwas weiten.

Wie reagieren Sie eigentlich selbst, wenn Sie als Kundin mal wieder eine richtig schlechte Experience hatten? Können Sie dann überhaupt noch an sich halten, wenn Sie genau wissen, wie es eigentlich besser gehen sollte?
Ich habe da eine ganz professionelle Neugier. Ich mache zum Beispiel gerne bei allen möglichen Umfragen mit, die mir zugeschickt werden - weil ich natürlich wissen will, wie das die verschiedenen Unternehmen machen. Und wenn ich ehrlich bin, bin ich sogar immer ein bisschen froh, wenn ein Problem auftritt. Weil ich dann am besten sehen kann, wie die Unternehmen damit umgehen. Und wenn es mal richtig schlecht gelaufen ist, habe ich immer noch Gesprächsstoff für den nächsten Tag und ein schönes Beispiel für den nächsten Vortrag.

Zur Person

Als CX Strategist bei Qualtrics   begleitet Svenja Niemeyer KundInnen bei der Entwicklung ganzheitlicher CX-Programme entlang der gesamten Customer Journey. Mit ihrer Expertise hilft sie Unternehmen dabei, maßgeschneiderte Lösungen zu konzipieren und CX-Programme auf die nächste Stufe zu heben. Vor ihrer Tätigkeit bei Qualtrics war Svenja Niemeyer als Manager Customer Experience Strategy bei Hugo Boss   tätig. Dort war sie für Einführung und Management des globalen CX-Programms verantwortlich und entwickelte Strategie sowie Maßnahmen zur Optimierung der Kundeninteraktion.

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