10 O N E t o O N E 1 0 - 1 1 / 2 0 2 2 Transaktionen über Online-Stores abzuwickeln. An anderer Stelle gab es auch schon eine ursprüngliche Version von Medias, was eigentlich ein reiner Produktkatalog war. Wir verfügen über weit mehr als 100.000 verkaufsfähige Produkte und Tausende von Kunden, also über ein sehr komplexes Produkt- und Kunden- portfolio. Zudem sind wir in sehr vielen verschiedenen Sektoren unterwegs. Wo sich etwas dreht – das kann Ihr Fahrrad sein bis hin zu großen Turbinen – sind wir immer dabei. Mein Verständnis war immer: Ich kann meine Business-Kunden nur verstehen, wenn ich seinen Endkunden verstehe. Die Händler sind unsere Partner, die dann wiederum an den Endkunden liefern. Deshalb müssen wir sowohl verstehen, wie der Handel tickt und welche Unterstützung er braucht und welche Bedürfnisse der Endkunde hat. Auch wenn wir ihn nicht direkt beliefern. Wie haben Sie das ursprüngliche Konzept von Medias weiter- entwickelt? Als ich 2019 zu Schaeffler kam, war Medias interessanterweise eine der am höchsten gerankten Domains in der Schaeffler-Welt. Zu diesem Zeitpunkt war Medias ein alter Produktkatalog, den beispielsweise auch StudentInnen gerade im Ingenieurstudium ausgiebig genutzt haben, um sich über Wälzlager aufzuschlauen. Für uns gab es daraus zwei Schlussfolgerungen: Zum einen war diese fragmentierte Welt nicht mehr angebracht, und zum anderen ist eine reine Transaktionsplattform nicht die Zukunft. Wir sind ein extrem applikationsgetriebenes Unternehmen. Sie kaufen also nicht einfach ein Lager, sondern dieses Lager muss natürlich irgendwo reinpassen und gewisse Voraussetzungen erfüllen. Das heißt, es besteht ein großer Beratungsaufwand. Dies zu bieten, ist extrem aufwendig. Man braucht hochkarätige Applikationsingenieure, was einen hohen Zeitaufwand bedeu- tet. Aber unsere Kunden wollen – genau wie bei Amazon – viel- leicht auch mal um 2:00 Uhr nachts etwas bestellen oder nach Informationen suchen. Also haben wir uns gefragt: Was braucht der Anwender wirklich in dem Bereich? Und dann kommt man natürlich schnell auf die Frage, wer das eigentlich ist. Ist es der Einkäufer? Der Ingenieur? Jeder ist Kunde, der in irgendeiner Form heute einen Touchpoint mit uns hat. Wo ist es also sinnvoll, diese Touchpoints zusammenzulegen, so dass wir den Kunden eine Customer Journey bieten, die wirklich aus einem Guss ist? Aus diesen Fragen heraus entwickelte sich die Idee, dass wir keine reine Transaktionsplattform wollen und keinen reinen Produktka- talog, sondern eine integrierte Sales- und Marketingplattform. Sie haben in unserem Vorgespräch erwähnt, dass Sie sogar Ähnlichkeiten zwischen Medias und unserem ONEtoONE-Online- angebot gefunden haben. Das macht mich natürlich neugierig. Für den Kunden ist unsere Plattform ein „One Stop Shop“. Als ich ein bisschen auf Ihrer Seite ONEtoONE gesurft habe, habe ich gesehen, dass Sie ein ähnliches Modell bieten mit einer freien Mitgliedschaft bis hin zu kostenpflichtigen Premium-Bereichen. Ein ähnliches Prinzip verfolgen wir mit Medias. Wir wollen uns nicht abschotten. Wir sind heute schon extrem interessant, bei- spielsweise für StudentInnen, die sich informieren. Und natürlich wollen wir die als zukünftige Kunden gewinnen. Deswegen haben wir eine Plattform gebaut, die in einer sehr brei- ten Form für interessierte Kunden offen ist beziehungsweise über die sie sich registrieren können, wenn sie weitere Informationen benötigen. Wer Kunde wird, hat Zugang zum Businessbereich. Entsprechend ist unsere Plattform dreiteilig aufgebaut, eben mit der Idee, das komplette Portfolio abzubilden. Wir haben damit eine wahnsinnig positive Resonanz am Markt. Dafür sind wir mit den Kunden ganz tief eingestiegen in User- Experience-Workshops und Design-Thinking, um wirklich her- auszufinden, was sie wollen und brauchen. An welcher Stelle ist es nicht sinnvoll, B2C-Maßstäbe anzu- setzen? Wir hatten zum Beispiel anfangs gedacht, die Option der Kredit- kartenbezahlung anbieten zu müssen, weil es im internationalen B2C-Commerce einfach Standard ist. Als wir unsere Kunden dann global danach fragten, war die Resonanz, dass dieses Angebot überhaupt nicht wichtig ist. Es gab natürlich einzelne, vielleicht kleinere Partner, die das Feature nutzten, aber ein Einkäufer in einer Firma oder einem Konzern nutzt selten eine Kreditkarte oder einen Paypal-Account zur Bezahlung. Andere Punkte dagegen haben sich als viel maßgeblicher er- wiesen. Unsere Kunden sind oftmals hoch ausgebildete Ingeni- eure, die einen extrem hohen Anspruch an die Beratung haben. Und diese zu digitalisieren, hat uns teilweise an die Grenzen der Technologie gebracht. Denn ich kann manches einfach nicht so darstellen, wenn ich beispielsweise an einen Linearkonfigurator denke. Das ist eine Applikation auf Medias, die wir in den ver- gangenen Jahren realisiert haben, bei der man ein komplettes Linearsystem über ein von uns geführtes System bauen kann, über gewisse Intelligenzen und Abhängigkeiten. Es war zwar sehr aufwändig, aber eben extrem wertvoll, dies in einem Sys- tem zu übertragen. Darin sehe ich auch die große Stärke der Digitalisierung: Es können nicht nur platte Transaktionsthemen vereinfacht, sondern Beratungsleistungen so digitalisiert werden, dass es dem Kunden wirklich hilft. Die Resonanz dazu war sehr gut. Genau diese Engineering-Con- sulting-Themen, die wir miteingebaut haben, unterscheiden Medias von anderen Plattformen. Hierbei verbinden sich die unter- schiedlichen Welten: Man hat nicht nur die Informationskataloge und Transaktionen, inklusive der eigenen Preise und so weiter, sondern auch die Beratung. Das in einem integrierten Modulset war so zumindest in unserer Industrie noch nicht vorhanden. Wie genau findet die Beratung statt? Die eine Beratung gibt es wahrscheinlich gar nicht, es gibt meh- rere Beratungen. Dabei kommt es auf die Fragestellung an: Es kann eine Beratung über den Preis, eine technische Beratung über ein System oder Fragen zu ganz hochkomplexen Ausle- gungsthemen sein. Als Kunde werden Sie in dem leicht verständlichen Linearsystem so geleitet, dass Sie im Grunde keinen Fehler machen können, also beispielsweise keine modularisierte Zusammenstellung, die technisch nicht möglich ist. Wir führen Sie auch über Alternati- ven, über intelligente Hinweise, wo Sie das beste System für sich finden und sich zusammenstellen können. Wenn Sie eine ganz spezifische Beratung zu einem hochspezialisierten Teil brauchen, kann das natürlich nicht einfach online dargestellt und über einen Modularkonfigurator abgewickelt werden. Telefoniere ich dann mit jemandem? Ja, das läuft dann klassisch über Applikationsingenieure, die in Service-Centern mit Ihnen zusammen an der Auslegung arbeiten.