14 O N E t o O N E 0 3 / 2 0 2 2 habe keinen größeren Erkenntnisgewinn daraus. Deshalb halte ich den Datenhype für etwas überbewertet und Massenmedien für unterbewertet. Sprichst Du von Radio und Fernsehen? Über Fernsehen und Radio erreicht man immer noch wahnsinnig viele Menschen. Man muss diese Medien zweifellos ergänzen. Kampagnen sind effektiver, wenn man crossmedial agiert. Die Fragmentierung ist im Vergleich zu früher enorm, aber wie wir einen Kulturwandel in der Ernährung haben, haben wir einen Kul- turwandel im Medienkonsum. Wir sind in den einzelnen Kanälen auch aktiv, weil wir die Visibilität wollen. Nur würde ich das nicht überbewerten. Die Technologisierung beherrscht das Marketing. Es wird klein- teiliger und komplexer. Was müssen künftige KollegInnen be- herrschen? Wir haben eine hohe Komplexität im Geschäft mit 120 Produkten in 17 Kategorien, 28 Ländern und einem sehr breiten Wettbewerbs- umfeld. Hinzu kommt, dass wir alles inhouse machen. Bei uns gibt es neben dem Produkt, für das ich verantwortlich bin, auch die Bereiche Marktforschung und Daten, die ein Team bilden. Daneben gibt es den Bereich Kreation und einen Bereich Kommunikation. Sehr wichtig sind hier soziale Fähigkeiten. Das andere sind tiefge- hende Kenntnisse in seinem jeweiligen Bereich. Man muss auch ein Gefühl dafür haben, was die Menschen draußen bewegt. Die Aufgaben an sich sind schon komplex. Man kann nicht erwarten, dass beispielsweise ein Social-Media-Mitarbeitender alle Kanäle und Features in- und auswendig kennt. Arbeitet Ihr in diesen Bereichen gar nicht mit externen Dienst- leistern zusammen? Wir haben inzwischen selbst das Packaging Design intern angesie- delt. Es gibt allerdings Fälle, in denen wir einen TV-Spot produzieren oder einen Videodreh nach unserer Konzeption durchführen lassen. Denn das ist nicht ganz unser Schwerpunkt. Aber alles andere machen wir tatsächlich intern. Spürt Ihr den Fachkräftemangel? Wir haben den großen Vorteil, dass wir als Unternehmen etwas bieten, was darauf einzahlt, was sich Mitarbeitende heutzutage wünschen. Wir wirken mit unseren Produkten positiv auf den Kli- mawandel. Und die Menschen suchen den Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit. Unser Ziel ist auch nicht, dass wir Emissionen kompensie- ren, sondern die Verursachung senken. Das ist für Arbeitnehmende unglaublich attraktiv. Entsprechend bekommen wir sehr viele Initiativbewerbungen. Nachhaltigkeit und Purpose sind genau die Themen, die wir besetzen und die Menschen suchen. Sie haben Lust, Dinge zu verkaufen, die nachhaltig sind. Zudem sind wir im Handelsblatt-Ranking im vergangenen Jahr zur innovativsten Foodmarke gewählt worden. Wir sind sehr trendorientiert, haben sehr junge, engagierte MitarbeiterInnen, flache Hierarchien und eine starke Unternehmenskultur, innerhalb der man viel gestalten kann: Wir sind für BewerberInnen so attraktiv, dass wir kein Problem haben, neue KollegInnen zu finden. Arbeiten bei Euch nur VerganerInnen? Da unsere Zielgruppe sowohl pflanzliche als auch konventionelle Produkte isst, ist es auch sinnvoll, wenn die Mitarbeitenden beide Produktarten kennen. Es ist schon hilfreich, wenn derjenige, der veganen Käse entwickelt, weiß, wie konventioneller schmeckt. Außerdem ist unser Slogan „Iss mal was fürs Klima“. Wir sagen: „Probier’s mal aus“ und erheben nicht den Zeigefinger. Wir machen ein Angebot und vielleicht bleibt derjenige dann auch dabei. Ge- nauso ist es bei den Mitarbeitenden. Wir haben einen hohen Anteil an VegetarierInnen und VeganerInnen, aber auch FlexitarierInnen. Die Marketingaufgaben werden immer kleinteiliger. Welchen Stellenwert hat Marketingautomation für Euch? Wir haben vier Bereiche: Marktforschung und Daten, Produkt, Kreation und Brand und Kommunikation. Marketingautomation funktioniert aus meiner Sicht nicht gut genug. Wir sind eine sehr nahbare und persönliche Marke, das heißt, dass wir direkt mit den KonsumentInnen reden. Wir beantworten auch Direktnachrichten auf Facebook und Instagram persönlich. Das ist sehr wichtig, weil wir den engen Austausch mit der Community wünschen. Wir haben aber eine hohe Projektlast parallel und brauchen ein sehr gut struk- turiertes Projektmanagement. Wichtig ist auch die kontinuierliche Weiterentwicklung von Standards, um Dinge zu vereinfachen. Das hilft uns viel mehr, unsere Agilität und Geschwindigkeit zu bewahren, als wenn wir uns mit Marketingautomation befassen würden. Es ist wie mit dem Datenthema: Bis zu einem gewissen Punkt kann das sinnvoll sein. Es kann aber auch schnell in die fal- sche Richtung gehen. Ich kann mit Retargeting, wenn es nicht gut eingestellt ist, eher Kritik erzeugen. Und mit falschen E-Mails Unmut erzeugen. Das Thema ist relativ komplex, da muss man auch ein bisschen vorsichtig sein. Es hat meines Erachtens noch nicht den Reifegrad, so dass es für uns sinnvoll wäre. Interessanter als Personalisierung und Segmentierung – auch wenn wir hier schon viel machen – sind Themen wie kontextuelles Targeting, weil wir uns kontextuell verhalten: Wenn ich Hunger habe, verhalte ich mich unbewusst auch anders. Du bist ja nicht nur Vorstand für Marketing und Produkt, sondern auch verantwortlich für das Produktmanagement. Das klingt nach einem Job für mindestens zwei Leute, oder? Ich habe ein tolles Team, das auch sehr selbständig ist und Ver- antwortung übernimmt, was wir durch unsere Unternehmenskul- tur wirklich fördern. Inhaltlich war es richtig, die beiden Bereiche zusammenzulegen, weil hier zusammenkommt, was zusammen gehört, nämlich Verständnis für den Markt, die KundInnen und leckere Lebensmittel. Was sind Eure Pläne für 2022? Wir sind im vergangenen Jahr an die Börse gegangen und haben auch klare Wachstumsziele. Die Prognose für den Markt für ve- gane Produkte ist über alle Kategorien hinweg ein Wachstum um durchschnittlich neun Prozent, in Einzelkategorien kann es mehr sein. Wir sind in den letzten Jahren stärker als der Markt gewachsen und wollen weiter einstellen, auch im Bereich Daten. Im Bereich Marketing wollen wir weiter investieren. Was wünschst Du Dir persönlich für dieses Jahr? Es wäre schön, wenn wir aus der Pandemiesituation heraus kommen könnten, weil die vergangenen zwei Jahre für alle sehr belastend waren. Neben einer schönen Zeit mit meiner Familie wünsche ich mir, dass ich auch die beruflichen Ziele erreiche. Das Gespräch führte Christina Rose.