(press1) - 20. Oktober 2009 - Vernünftiger Jugendschutz oder drakonische "symbolische Gesetzgebung"?
Das Bundesverfassungsgericht wird morgen seine Entscheidungen über zwei Verfassungsbeschwerden bekannt geben, die das Verbot der Verbreitung so genannter einfacher Pornografie in Medien- und Telediensten (§184d StGB) und die zu stellenden Anforderungen an Altersverifikationssoftware betreffen (Aktenzeichen 1 BvR 710/05 und 1 BvR 1184/08). Der Mainzer Unternehmer Tobias Huch und die von ihm geführte Resisto IT GmbH hatten die Beschwerden in den Jahren 2005 und 2008 eingereicht. Darin bezweifelt Huch den Sinn eines weitgehenden Pornografieverbotes. Dabei kann er sich auf Aussagen zahlreicher Experten stützen. Diese sind der Auffassung, dass sich wissenschaftlich nicht nachweisen lasse, dass einfache Pornografie Minderjährigen schade. Dies wird durch Erfahrungen in anderen Ländern wie etwa Dänemark und den Niederlanden nahe gelegt, die kein solch striktes Pornografieverbot wie Deutschland kennen. Ferner verweist Huch darauf, dass Minderjährige seit mehr als einem Jahrzehnt über das Internet jederzeit kostenlos an Pornografie gelangen. Nachweisbare Schäden hätten sich daraus nicht ergeben. Huch ist Verfechter eines maßvollen Jugendschutzes, der Kinder und Jugendliche vor konkret feststellbaren Gefahren schützen und dabei ihren Eltern mehr Verantwortung und Rechte einräumen möchte. Huch sieht den idealen Internet-Jugendschutz in der Verhinderung der ungewollten Konfrontation mit diesen Inhalten.
Juristisch ist die Reichweite des Verbotes der Verbreitung von Pornografie umstritten. Rechtswissenschaftler kritisieren den unscharfen Begriff der "Pornografie". Wenn vom Staat nicht der Nachweis erbracht werden könne, dass pornografische Inhalte Minderjährigen schaden, könne der Staat nicht die Meinungs- und Pressefreiheit einschränken. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1990 dem Gesetzgeber eine so genannte "Entscheidungsprärogative", also einen gewissen Beurteilungsspielraum darüber zugebilligt, inwieweit er von schädlichen Auswirkungen des Pornografiekonsums durch Jugendliche ausgehen wolle. Die Entscheidungsprärogative bestehe aber, so das Gericht, nur in einer wissenschaftlich ungeklärten Situation. Manche juristische Experten betrachten diese Rechtsprechung als überholt, weil sie es dem Staat ermögliche, im Bereich des Jugendschutzes Willkür zu üben. Außerdem bestehe heutzutage hinsichtlich des fehlenden schädlichen Charakters einfacher Pornografie keine "wissenschaftlich ungeklärte Situation" mehr. Fachleute verweisen darauf, dass das strenge deutsche Pornografieverbot hauptsächlich zu Lasten deutscher Anbieter gehe, während Anbieter aus dem Ausland mittels des Internets problemlos pornografische Inhalte auch in Deutschland anbieten könnten. Das Pornografieverbot sei also gar nicht durchsetzbar, es handele sich um rein symbolische Gesetzgebung. Gleichzeitig erschweren die rechtlichen Hürden in Deutschland es Erwachsenen, ihr ihnen durch das Grundgesetz zugebilligtes Recht auf Konsum von Pornografie in Deutschland auszuüben und zwingen diese faktisch zum Ausweichen auf ausländische Angebote
Beschwerdeführer Huch sieht dem Ausgang der von ihm angestrengten Verfahren gelassen entgegen. Hätten die Verfassungsbeschwerden Erfolg, so wäre in Deutschland der Weg zu einem vernünftigen und maßvollen Jugendschutz geebnet. Würde den Beschwerden dagegen nicht stattgegeben, so wolle man die Möglichkeit einer Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte prüfen, erklärte Huch.
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