von Gastbeitrag
Nie zuvor war Deutschland so vernetzt wie heute; doch noch während die Deutschen das Internet für sich entdecken, bahnt sich bereits eine neue technologische Umwälzung an, die unser Verhältnis zueinander und zu den uns umgebenden Objekten tiefgreifend und nachhaltig verändern wird: das Outernet. So lautet die Grundthese von Proximity-CEO Michael Schipper in einem Gastbeitrag für ONEtoONE.de.
So wie das Festnetztelefon immer mehr durch das Handy ersetzt wird, wird das Internet durch das Outernet abgelöst. Gleich einer zusätzlichen Schicht legt es sich über unsere reale Umwelt und hebt die Trennung von Off- und Online-Welt konsequent auf. Damit sind wir zeitgleich online und onlife. Schon bald werden intelligente Alltagsgegenstände in Kombination mit einer neuen Generation mobiler Endgeräte unsere Stimmung und unseren jeweiligen Aufenthaltsort erkennen, in Sekundenschnelle maßgeschneiderte und relevante Informationen liefern und unsere Wahrnehmung erweitern. Computer werden immer kleiner, die Technologie rückt noch näher an den Menschen heran und unterstützt ihn als permanenter, virtueller "Personal Assistant".
Wesentliche Triebkraft des Outernet ist die Lokalisierung. Feststellen zu können, wo und in welcher Distanz sich Menschen und Dinge zueinander befinden, ist die Voraussetzung für viele Outernet-Anwendungen und für eine Verknüpfung der digitalen Daten mit der realen Welt. Lokalisierung via GPS, WLAN oder neue Satellitennavigationssysteme gewährleistet eine metergenaue Ortung. Zugleich werden Alltagsgegenstände mit Informationsressourcen des Internet verknüpft, können wie Hyperlinks auf einer Webseite mit dem Handy "angeklickt" werden und stellen innerhalb von Sekunden ortsrelevante Informationen bereit. Darüber hinaus fungieren Sensoren zur Messung von Helligkeit, Geräuschen, Temperatur oder Druck als "Sinnesorgane" mobiler Endgeräte, interpretieren die aktuelle Situation einer Person und ermöglichen so "Mood Marketing" in Reinform.
Das Outernet erfordert eine neue Generation intelligenter Informationsverarbeitung - das Smart Web. Suchmaschinen, die Informationen semantisch verstehen und Zeit, Ort und Benutzerprofil mit einbeziehen, erhöhen die Treffgenauigkeit und Relevanz von Suchergebnissen. Dabei werden die mobilen Geräte der Zukunft intuitiv zu bedienen sein - das iPhone, mit seinen Multitouch-Funktionen ist erst der Anfang. Technologien wie Gestensteuerung, Gesichtserkennung und haptischen Displays, die nicht nur leistungsfähiger sind, sondern auch immer kleiner werden, befinden sich in der Entwicklung. Durch Augmented Reality (AR) kommt es zu einer virtuellen Erweiterung der Wahrnehmung, in der die Realität mit virtuellen Ebenen angereichert und die reale und digitale Lebenswelt zusammengeführt wird. Wie z.B. beim Handyreiseführer "Wikitude", der die Wahrnehmung der User erweitert, indem er zusätzliche digitale Umgebungsinformationen, etwa zu Sehenswürdigkeiten, über das Kamerabild des Handys legt.
Die physische Welt wird zur Website, auf der Objekte wie Autos, Plakatwände und S-Bahnen "angeklickt" werden können, um auf Informationen, Dienstleistungen und Kommunikationsangebote zuzugreifen. Dementsprechend müssen Alltagsobjekte zukünftig als Schnittstelle oder potentielle Verkaufsfläche verstanden und gestaltet werden. Physische Orte werden zu Ankerpunkten, an denen sich Gemeinschaften bilden und Informationen ausgetauscht werden. Computer werden unsichtbar, bzw. so klein, dass sie in Alltagsgegenstände, unsere Kleidung und sogar unsere Körper integrierbar sind. Diese allgegenwärtigen intelligenten Alltagshelfer sind auch für technisch unerfahrene Nutzer leicht zu bedienen, wie z.B. der Autoreifen, der meldet, wenn er Luft verliert.
Nicht der Besitz sondern der Zugang zu Ressourcen wird von entscheidender Bedeutung sein. Das Mobile Web und entsprechende Endgeräte ermöglichen ständigen Zugriff auf Informationen, Dienstleistungen und Netzwerke. In Zukunft sind wir Always-On und Always-Connected, damit verschwinden die Grenzen zwischen der realen und virtuellen Identität, die unterschiedlichen Teilaspekte vermischen sich. Communities werden spontaner, dynamischer und spezifischer, da ihr Zusammenschluss nicht mehr ausschließlich auf gemeinsamen Interessen, sondern auch auf dem Aufenthaltsort basiert.
Die Koppelung an Ort und Zeit lässt die Relevanz von Informationen deutlich steigen. Skype, twitter und Facebook greifen den Zeitfaktor bereits erfolgreich auf. Wenn z.B. auf twitter in Echtzeit über ein Erlebnis berichtet wird, entsteht eine unmittelbare Verbindung zwischen Realität und Virtualität, in der die reale Welt digital angereichert und erweitert wird. Durch diese zusätzliche digitale Schicht und unterschiedliche Filter wird die Umwelt personalisierbar. Durch diese Möglichkeit der bewussten Selektion kommt es zu einer Komplexitätsreduktion. Mithilfe der verschiedenen Filter des Outernet, fokussieren wir unsere Aufmerksamkeit gemäß individueller Bedürfnissen und Interessen. Eine mögliche Auswirkung auf das Zusammenleben könnte die Bildung von Gemeinschaften sein, die auf dem aktuellen Wahrnehmungsmodus basieren, somit spezifischer sind und exklusivere Erfahrungen bieten.
Das Outernet wird unser Leben radikal verändern, die damit verbundenen Chancen zeichnen sich bereits ab. So wird die Bereitstellung maßgeschneiderter Informationen die Individualität fördern: wir sind besser informiert, können effizienter handeln und unsere Vorlieben und Stimmungen werden berücksichtigt. Durch seine Nutzerfreundlichkeit wird das Outernet auch für Kinder und ältere Menschen leicht beherrschbar sein - ein wichtiger Aspekt vor dem Hintergrund des demographischen Wandels. Eine weitere Folge: Subkulturen werden sich weiter ausdifferenzieren, da der Eintritt in Nischen erleichtert wird, nach Zeit, Ort und Stimmung erfolgen kann und meist nur temporär ist. Bei allen Vorzüge wirft das Outernet jedoch die Frage nach der Datensicherheit auf: Wem vertraue ich meine Daten an? Wer hilft mir dabei, den Überblick zu behalten?
Da Interaktion noch persönlicher, selektiver und optionaler wird, muss zukünftig noch individueller und sensibler auf Kundenbedürfnisse eingegangen werden. Denn die Kommunikation erfolgt primär über das bislang persönlichste Medium, das Handy. Die Ansprache des Konsumenten unter Berücksichtigung von Ort, Zeit, Profil, und Stimmung, wird Ausgangspunkt sämtlicher Marketingaktivitäten. Es geht um den richtigen Tipp, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, denn nur so entsteht ein echter Mehrwert. Außerdem fördert das Outernet die Transparenz. Schon heute kann man mit iPhone-Applikationen wie "Amazon mobile" Produkte in Geschäften fotografieren, bekommt umgehend den günstigsten Anbieter angezeigt und kann das Produkt anschließend mit einem Klick kaufen.
Das Outernet bietet vielfältige, branchenübergreifende unternehmerische Chancen und erfordert ein Nachdenken über neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Denn indem sämtliche Objekte zu Kommunikationskanälen und Verkaufsflächen werden muss der stationäre Handel zukünftig mit Millionen von Produkten konkurrieren, die zugleich Schaufenster und Kasse sind. Geschäfte müssen sich vom Point of Sale zum "Point of Experience", einem Ort des Erlebens, wandeln. Neuartige Dienstleistungen entstehen, physische Produkte werden zu hybriden, indem ihren ursprünglichen Nutzen um weitere, ggf. auch kostenpflichtige, Funktionen erweitern. Produkte und Dienstleistungen können auf Basis von Userprofilen personalisiert, Angebote an Ort und Zeit gebunden werden, sodass eine künstliche Verknappung entsteht und eine gewisse Einmaligkeit suggeriert wird - eine mögliche Strategie, um Preiskämpfen, als Folge der hohen Transparenz im Outernet, entgegenzuwirken.
Das Zitat "You have to get better in believing the impossible!" ("Wir müssen besser darin werden, an das Unmögliche zu glauben.") von Internet-Visionär und "Wired"-Gründer Kevin Kelly beschreibt exakt die Einstellung, mit der man sich dem Outernet nähern muss. Denn die Frage lautet nicht, ob das Outernet kommt, sondern wie schnell. Zunächst wird es im Bereich der Kommunikation an Bedeutung gewinnen, dann Marke und Dienstleistungen berühren und schließlich auch die Geschäftsmodelle beeinflussen.
Kommunikation: Die Explosion der Kommunikationskanäle und Maßnahmen erfordert eine immer komplexere Kampagnen-Architektur, die Bereitschaft zu "Test & Learn" und eine konsequente Ausrichtung auf den Return on Investment. Es müssen Kampagnen-Tracking-Systeme installiert werden, um die Maßnahmen auf den verschiedenen Kanälen aussteuern und permanent überprüfen zu können.
Marke: Durch die zunehmenden Möglichkeiten des digitalen Auftretens einer Marke gilt es, eine umfassende Mobile Device-Strategie zu entwickeln, die die relevante Endgeräte identifiziert, damit sie in Markenauftritt integriert werden können. Die Definition eines Digital Brand Experience zur Gewährleistung einer einheitlichen multimediale Markeninszenierung ist ebenso unabdingbar wie das Screening neuer digitaler Impulse.
Dienstleistungen: Der "Service-Hebel" des Outernet ist enorm. Daher müssen Unternehmen ein Service-Quality-Management etablieren, um bestehende Dienstleistungen durch das Potenzial des Outernet auszubauen. Zur Identifizierung zusätzlicher Services muss ein Innovationsmanagement eingerichtet werden und Mitarbeiter und Kunden aktiv in den Prozess der Service-Optimierung und - Erweiterung eingebunden werden.
Geschäftsmodelle: Das Outernet hat die Kraft neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen, aber auch bestehende zu bedrohen. Die größten Herausforderungen werden sein, rechtzeitig das Potenzial und die Gefahren neuer Trends zu bewerten, das eigene Geschäftsmodell hinterfragen zu können und über ein hohes Innovationspotenzial zu verfügen.
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