Die neue Messe

von Thomas Mavroudis: Business Lead smart Data DACH BISNODE GROUP

Deutschland ist Messe-Weltmeister. Fünf der zehn größten Gesellschaften haben ihren Sitz in München, Hannover, Köln, Düsseldorf und Frankfurt. Um diese Spitzenposition zu sichern, setzen alle Gesellschaften auf weitere Internationalisierung. Und die gelingt nur mit gutem Lead-Management.

Die Buchmesse in Frankfurt ist gerade gelesen. Gamescom und DMexco zogen die Blicke der Digitalgemeinde auf Köln, und in München bereitet man immer noch die BAUMA nach, das weltgrößte Klassentreffen der Baumaschinenbranche. Sie ging im April zu Ende und erstreckte sich auf 614.000 Quadratmeter. Trotz der guten Ergebnisse, vor allem der großen Messegesellschaften, hört man dieser Tage viel Kritisches über das Messe- und Kongresswesen. Zu viel Angebot lautet der Vorwurf. Das Konzept Messe als Siedepunkt des Innovationszyklus ist durch die Omnipräsenz von Informationen via Internet in Frage gestellt. Und immer wieder hört man auch, dass die traditionellen Messegesellschaften sich schwer damit tun, auf die veränderten Bedürfnisse ihrer Aussteller und Besucher zu reagieren. Vor allem besseres Matchmaking - das passgenaue Aufeinandertreffen von Ausstellern und Zielgruppe - fordern viele große Aussteller von ihren Gastgebern. Die Frankfurter Messe hat auf diese Forderungen reagiert und - weil die großen Wachstumsmärkte im Ausland liegen - ein internationales Projekt ins Leben gerufen: Leads and International sales analytics.

Und darum geht es: Die Hessen wollten herausfinden, wer ihre Besucher sind und wie sie sich verhalten. Und zwar weltweit. Auf Grundlage dieser Ergebnisse sollten Kontaktklassen abgeleitet und Synergiepotenziale erkannt werden, die im Weiteren dazu verwendet werden, dass Besucher und Aussteller noch besser zueinander finden. Vor allem der Auslandsvertrieb sollte mehr Unterstützung bekommen, denn dieser trägt die Verantwortung nicht nur für die Veranstaltungen vor Ort, sondern er liefert auch den Flaggschiff-Events in Deutschland neue Aussteller und Besucher. Mirko Schubert, Vice President International Sales Management, legt die Messlatte hoch: "Unsere Sales-Partner benötigen hochwertige Potenziale, und das individuell, zielgruppenspezifisch und weltweit."

Heterogene Datentöpfe


Der Anfang eines solchen Datenprojekts ist immer gleich. Es geht um die Konsolidierung der verschiedenen Datentöpfe. Die 28 Ländergesellschaften der Frankfurter Messe benutzen nicht nur eigene Tools zur Leadgenerierung. Sie haben auch ihre ganz eigene Systematik. Die daraus generierten Daten haben unterschiedliche Qualitäten. Das Zusammenführen und Bereinigen dieser Datenstruktur bildet die größte Herausforderung im Projekt. Traditionsunternehmen haben Angst, dass durch eine automatische Konsolidierung Datensätze verloren gehen oder gelöscht werden. Und diese Datensätze sind das wertvollste Asset der Messegesellschaften in diesen digitalen Zeiten. Diese Angst kann bekämpft werden, indem eine Validierung und Qualitätssicherung beim Zusammenführen der Datentöpfe erfolgt. Bisnode, der Partner der Frankfurter Messe bei diesem Projekt, legt beispielsweise die internationalen Daten von Bisnode und Dun & Bradstreet an und untersucht vollautomatisch, wie die von den Messegesellschaften gesammelten Daten dazu passen. Adressdaten werden korrigiert und vereinheitlicht, Ansprechpartner ergänzt oder ausgetauscht. Im Mittelpunkt der Datenkonsolidierung steht eine eindeutige Identifikation der 3,5 Millionen Besucher weltweit mit einem neunstelligen Identifier.

Aus insgesamt 28 Länder- und Partnergesellschaften müssen die Daten zusammengezogen, validiert und vereinheitlicht werden (Bild: Bisnode Group)
Aus insgesamt 28 Länder- und Partnergesellschaften müssen die Daten zusammengezogen, validiert und vereinheitlicht werden



Welche Ableitungen trifft man aus den Daten?


Sind die Daten konsolidiert, richtet sich der Blick auf deren wertschöpfende Verwendung. Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz suchte die Messe nach den Potenzialen in den Datensätzen. Wo gibt es Upselling-Möglichkeit? Wo kann man den Kunden andere Veranstaltungen schmackhaft machen, die ebenfalls in ihr Bedürfnisraster fallen? Ein klassischer Fall für Business Analytics, aber auf Grundlage einer enormen Datenquantität. Um die Vertriebsteams optimal zu unterstützen, wurden Prospect-Klassen gebildet und diesen ein Score zugewiesen. Der Score bildet die Erfolgswahrscheinlichkeit für Up- und Cross- Selling ab. Die Vertriebsteams konzentrieren sich zunächst auf den Key-Account und arbeiten dann sukzessive die Score-Klassen ab. Die Kunden mit der höchsten Konvertierungswahrscheinlichkeit zuerst. Mit diesem Gerüst hat man nun eine standardisierte und vor allem aussagekräftige Methode entwickelt, um künftige Veranstaltungen zu analysieren.

Die Reports, die aus der Software gezogen werden, bilden genau das ab, was vorher definiert wurde: Hat man die neu identifizierten Prospects erreicht? Wie hoch ist der Score bei Bestandskunden? Letzteres gibt Aufschluss darüber, wie zufrieden diese Kunden mit einer Veranstaltung waren. "Jetzt verfügen wir über einen Prozess, der uns eine bessere Planung ermöglicht und dabei gleichzeitig die Transparenz erhöht", meint Alexander Zimmermann, Datenanalyst Customer Relationship Management. Für die Hessen leitet sich aus dieser Datenanalyse weit mehr ab als Effizienzsteigerung und Wachstum im Bestandsgeschäft. Anhand der langfristigen Entwicklung der Scores lässt sich zum Beispiel ablesen, ob sich eine Branche auf Konsolidierungskurs befindet und die Wahrscheinlichkeit für teure Investitionen in Messeauftritte sinkt. Dies könnte ein Signal sein, um sich mittelfristig von einem Event zu verabschieden oder der Veranstaltung neue Märkte und Zielgruppen zu erschließen, wie das für die IAA gelten dürfte. Hier ist die Messegesellschaft Frankfurt zwar "nur" Gastgeber, aber die Auswertung der Daten wird man sorgfältig mit dem Veranstalter VDA diskutieren, um zu sehen, wo die Reise der Mobilitätsbranche hingeht.






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