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"Ich muss nicht alles online verkaufen"

09.10.2018 - Lena Schaumann wollte nicht in das väterliche Möbelhaus einsteigen. Statt dessen gründete sie 2014 mit Lumizil einen Onlineshop. Den verwandelte sie binnen drei Jahren in eine Millionen-Euro-Erfolgsgeschichte. Anfang 2018 wechselte sie aber dann doch zurück nach Kassel. Das neue Ziel: das Familienunternehmen in einen Multichannel-Händler zu verwandeln.

von Susanne C. Steiger

Statt ins väterliche Geschäft einzusteigen haben Sie vor vier Jahren Ihren eigenen Onlineshop gegründet, warum?Es war eine strategische Entscheidung, zunächst alle wesentlichen Parameter für den Online-Möbelhandel kennenzulernen und dann in ein umsatzbringendes Geschäftsmodell zu übertragen. Ich wollte ganz bewusst nicht gleich das komplette Möbelhaus mit einem Onlineshop abbilden - dafür ist die Möbelbranche immer noch viel zu traditionell aufgestellt.

Möbel kaufen doch auch Jüngere, und die sind - wie wir wissen - viel online unterwegs. Da hätte sich das doch angeboten? Klar informieren die sich online - aber mal ehrlich: Die meisten geben erst einmal nicht so viel Geld aus, wenn sie noch nicht so sesshaft sind. Und wenn ich ein Sofa nicht anfassen kann oder mich einmal drauf setzen, dann kaufe ich das auch nicht einfach so online. Ich gehöre zwar zur Generation, die mit dem Internet groß geworden ist, aber trotzdem zähle mich nicht zu denen, die immer alles online kaufen. Einen großen Möbelkauf machen Kunden häufig noch im lokales Geschäft. Mit anderen Segmenten geht der Kauf per Internet leichter. Genügend Beispiele dafür gibt es ja auch schon online. Außerdem wollte ich auch nicht einen zweiten Westwing oder Home24 aus dem Nichts heraus gründen.

Heißt das im Umkehrschluss, dass Sie das vorhaben? Ich bin gerade dabei, nachdem wir die Feuertaufe mit den Lampen bestanden haben, den Onlineshop auszubauen. Das wird sicher nicht schlagartig passieren - es macht gar keinen Sinn, auf einmal alle ‘zig Tausend Artikel online anzubieten, wenn die Kundenwünsche so unterschiedlich sind. Lampen lassen sich sehr gut überregional vermarkten - ein Sofa weniger. Trotzdem wollen wir mit dem Onlineshop die 35-Plus Kunden genauso ansprechen wie die, die in den Laden kommen. Da führt kein Weg am Sortimentsausbau vorbei.

War der Aspekt der besseren überregionalen Vermarktung der einzige Grund, warum Sie sich für Lampen als einzige Warengruppe beim Start entschieden haben? Dafür gab es sogar zwei Gründe: Zum Einen wollten wir uns bewusst die Zeit nehmen, mit einem Warensegment unsere Erfahrungen zu machen. Dahinter stand der Wunsch, diese dann auf die anderen Bereiche übertragen zu können. Ein zweiter wesentlicher Faktor war, dass Lampenhersteller bereits das Kataloggeschäft kannten. Und außerdem war auch die Lieferung direkt an die Endkunden durchaus schon üblich. Für uns als Onlineshop eine Voraussetzung, kein eigenes Lager aufbauen zu müssen. Das hätte mit anderen Artikeln schwieriger ausgesehen.

Konnten Sie die Hersteller denn dazu bringen, über Sie zu verkaufen? Wir haben am Anfang schon mehr als zwei oder drei Gespräche führen müssen, um sie von den Vorteilen zu überzeugen - und auf der anderen Seite mit den Material versorgt zu werden, das wir für eine gute Präsentation im Onlineshop haben wollten. Das war vor vier Jahren - kaum zu glauben, aber wahr - noch längst nicht so in den Köpfen, dass online einfach anders funktioniert als der Verkauf im Laden.

Stellte das ein Problem für Sie beim Aufbau des Onlineshops dar? Wir haben uns genau aus dem Grund, weil die Kundenwünsche für verschiedene Segmente einfach ganz unterschiedlich sind, erst einmal auf eine Produktgruppe beschränkt. Dass es aber schon ein Problem darstellen würde, die richtigen Bilder für den Onlineshop zu bekommen, hatten wir nicht so erwartet. Am Anfang haben wir tatsächlich öfter darum kämpfen müssen, geeignete Produktfotos zu bekommen, die wir dann online stellen konnten.

Für den Retail sind Abbildungen also weniger wichtig? Das kann ich so nicht sagen, denn schließlich müssen die Lampen für den Showroom auch nach Abbildung ausgewählt werden. Trotzdem fehlen uns oft noch Bilder, die ein Ambiente zeigen - da denken wir vom Marketing her, die Hersteller von den Produkten, die sie ja in den Lampenabteilungen der Möbelhäuser platzieren wollen. Solche Bereiche sind - oft zu hell und vollgestopft - nicht unbedingt die beste Präsentation. .. Das stimmt. Das war für uns auch eine der spannenden Aufgaben, nachdem wir letztes Jahr bereits mit Lumizil als Online-Abteilung für das Möbelhaus fungierten und zum Jahresanfang 2018 auch unseren Standort komplett von Berlin nach Kassel verlagerten. Wir wollten unbedingt eine sinnvolle Verknüpfung herstellen, um zu zeigen, dass sich Online- und Offlinehandel gegenseitig befruchten können. Schließlich geht es uns darum, "das Beste aus beiden Welten" zusammenzubringen. Darum haben wir ein neues Konzept für den Lampenbereich im Ladengeschäft entwickelt, bei dem wir die Kundenwünsche aus dem Onlinegeschäft einfließen ließen. Wir wollten eine andere, emotionalere Präsentation möglich machen und haben deshalb umgebaut.

Sie sind also in den Laden und haben umgebaut - und das war es? Mit der Umgestaltung an sich war es nicht getan. Es geht ja schließlich darum, Retail und Online intelligent zu verknüpfen und Errungenschaften aus dem Online-Business auch stationär nutzen zu können. Das hieß für mich in einem logischen Schritt eben auch, die Mitarbeiter vor Ort zu digitalisieren. Und sie zum Beispiel im Verkaufsraum mit iPads statt Katalogen auszustatten.

Kam keine Kritik der Mitarbeiter? Doch, ich war tatsächlich zu überschwänglich im ersten Schritt, als ich nach dem Abteilungsumbau einfach alle Kataloge in dem Papierkorb warf und sagte, ihr habt jetzt das Internet, also den Shop, dafür. Die Verkäufer bremsten, weil sie sich schwer taten. Wir haben dann also alle Kataloge nochmal angefordert. ... und arbeiten wieder mit Papier? Nein, das ist das Schöne, mittlerweile sind sie davon überzeugt und wir brauchen die gedruckten Kataloge nicht mehr. Aber das ist ein Learning, das ich mitnehme: Auch wenn die Mitarbeiter veränderungsbereit sind, muss ich sie da abholen, wo sie stehen, auch mal als Beispiel vorangehen und das Potenzial aufzeigen.

Die Marketingchefin steht also selbst im Verkaufsraum mit dem Tablett und berät? Das haben wir tatsächlich eingeführt, dass das Lumizil-Team in einem rollierenden System mit in den Verkaufsräumen ist. Und die Ergebnisse geben uns recht. Inwiefern? Nach dem Umbau haben wir festgestellt, dass es einen Besucherzuwachs von rund 30 Prozent gab, aber nur ein Umsatzplus von zwei Prozent. Als wir dann einfach einmal mit dem Onlineteam zum Verkauf in der Ausstellung waren, haben wir viermal mehr umgesetzt als vorher. Darum setzen wir auf diese Methode, die neben den Wissenstransfer auch die Motivation der Retailmitarbeiter enorm erhöht hat. Vor zwei Jahren hätte ich meine Idee, Einrichtungsberatung auch via Skype anzubieten, knicken können - aber jetzt sagen die Kollegen: "Probieren wir es doch einmal aus."

Und nebenher bauen Sie den Onlineshop der eigenen Marke weiter aus... Ja, wobei ich mich aus dem operativen Geschäft gut zurückziehen kann und mir damit gut die Hälfte meiner Zeit für das intensivere Kennenlernen und Zukunftsfähig-Machen des Familienbetriebs bleibt. Aber immer mit der Vision, das letztlich Lumizil der Onlineshop des Möbelhauses ist und beide zusammen wachsen.

War das Weggehen dafür hilfreich und würden Sie es wieder so machen mit dem Start in Berlin? Die Nähe zu anderen Start-ups war für mich - und ist es immer noch - sehr wichtig. Die Community trägt einfach viel dazu bei, die eigenen Ideen voranzubringen und schafft neben einem Freundeskreis auch die Möglichkeit, sich auszutauschen und bei Problemen Rat zu holen von anderen kreativen Menschen. Gerade auch die Begegnung mit Gründern, die ganz andere Branchen und Geschäftsmodelle haben, sind wichtig für mich. Das hätte ich in Kassel nicht so leicht gehabt. Schließlich habe ich mit dem Ziel gegründet, einmal den Familienbetrieb als echten Multichannel-Handel aufstellen zu können.
Außerdem war es auch gut, Abstand zum Betrieb zu haben, um dann mit neuen Aufgaben und dem nötigen Selbstbewusstsein aus dem Erfolg mit dem ganz eigenen Business wieder in das Familienunternehmen zu kommen. Das würde ich immer wieder so machen.

Das Gespräch führte Susanne C. Steiger



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