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Pure Play

Ich hab Sie im Internet gefunden, nun bin ich hier

03.04.2017 - Immer mehr Online-Händler, die einst im Web gestartet sind, unternehmen Schritte ins Stationärgeschäft. Auch durch den Druck seitens des Internetriesen Amazon scheint das Ende von Pure Plays gekommen zu sein.

von Verena Jugel

Auf großzügigen 100 Quadratmetern erstreckt sich das Geschäft voll mit Herrenschuhen im Münchner Hackenviertel, einem der ältesten Stadtteile der Landeshauptstadt zwischen Marienplatz, Sendlinger Tor und Rokoko-Palais. Der Store ist einer von sechs, bald sieben Läden, die das im Jahr 2010 als Online-Händler gestartete Schuhgeschäft "Shoepassion.com" inzwischen in Deutschland eröffnet hat - darunter auch in Berlin und Hamburg. Mit Reparaturservices, aber auch mit Seminaren für Bestandskunden will der Anbieter von rahmengenähten Herrenschuhen hier eigenen Angaben zufolge die Kundenbindung verbessern und über das Online-Geschäft hinausgehende Mehrwerte schaffen. "Offline können wir unseren Beratungsansatz durch das persönliche Gespräch ausbauen. Wir lernen zudem unseren Kunden und seine Bedürfnisse näher kennen", erklärt Sprecher Tobias Börner das Prinzip hinter den Stores von Shoepassion.

Immer mehr einst als Online-Händler gestartete Firmen unternehmen Schritte in die reale - eigentlich immer digitaler werdende - Welt. Ob Brillenanbieter wie Misterspex.de, Modemarken wie Edited - eine Fashion-Brand des Otto-Group-Tochterunternehmens Collins -, oder Elektronikfachhändler wie Cyberport.de und Notebooksbilliger.de. Und nicht zuletzt das Erfolgsbeispiel Mymuesli.com, das im April sein zehnjähriges Bestehen feiert und als ehemaliger Online Pure Player inzwischen auf mehr als 50 Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz blicken kann.

Online allein reicht nichtErklärt wird der Schritt hin zur Offline-Präsenz meist ähnlich: die Markenbekanntheit durch die Stationärfiliale erhöhen, neue Kunden gewinnen, sie die Produkte anfassen und ausprobieren lassen sowie vor allem das Vertrauen des Kunden wecken - was offline besonders gut geht ("Trust-Effekt"). Ein Satz fiel laut Shoe­passion-Sprecher Börner schließlich häufiger seitens des Kunden: "Ich habe Sie im Internet gefunden, mich aber nicht getraut, dort zu bestellen - dann erfuhr ich, dass Sie einen Laden haben, und nun bin ich hier."

"In den meisten Fällen geht es schlicht darum, Marktanteile zu gewinnen, indem man neue Kundengruppen erreicht und bestehende Kunden umfassender ansprechen kann. Zumeist werden Teile des Online-Sortiments angeboten", fasst Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln, zusammen. "In manchen Fällen haben die stationären Geschäfte eher Outlet-Charakter, das heißt, dort werden besondere Aktionswaren, zum Beispiel 1B-Ware angeboten. In manchen Fällen dient die stationäre Präsenz der Markenbildung, so dass andere Marketingaktionen gegebenenfalls zurückgefahren werden können", so Hudetz.

Für ihn bleibt dem Online-Handel heute nichts anderes übrig, als sich neue Möglichkeiten zu suchen, den Kunden zu erreichen - zu groß ist der Druck durch den E-Commerce-Riesen Amazon, der weiterhin enorm wachse: "Den allermeisten Online-Händlern wird aufgrund der stark zunehmenden Konzentration im Online-Markt und insbesondere der Dominanz von Amazon perspektivisch kaum eine andere Wahl bleiben, als sich neue Wege zum Kunden zu suchen", so Hudetz. Dies könne einerseits der Vertrieb über den Amazon Marketplace sein, "wobei sich die Frage stellt, welchen Mehrwert ein Einzelhändler dort mittel- und langfristig bieten kann". Andererseits gilt es eben zu versuchen, sich stationär zu platzieren und mit einem umfassenderen Service und höherer Markenkraft den Kunden besser zu binden. Dabei gelte aber: "Ein erfolgloser Online-Shop wird durch die Hinzunahme von stationärem Geschäft ebenso wenig erfolgreich wie ein erfolgloses Ladengeschäft durch einen Online-Shop."

Für wen sich der Schritt zur Offline-Präsenz lohnen kannOb es sich für einen Online-Händler rentiert, Stationärfilialen zu eröffnen, hängt laut Hudetz weniger von der Branche ab als von anderen Faktoren: "Ich glaube, dass eine gewisse Größe und Marketingkraft erforderlich sind, um den Schritt konsequent gehen zu können. Zumindest bei der relevanten Zielgruppe vor Ort muss die Marke bereits eine hohe Bekanntheit aufweisen, so dass die Anbieter ihre Online-Vorteile auch ausreichend ausspielen können.

Aber auch die Risiken sollten ausreichend bedacht werden: "Natürlich verändert sich durch eine Stationärpräsenz die Kostenstruktur, und die Komplexität steigert sich. Der Online-Händler muss für sich bewerten, wie groß die Kannibalisierungseffekte sind, wie viel Mehrumsatz der stationäre Handel wirklich bringt und wie die positiven Marketingeffekte zu beurteilen sind", sagt Hudetz. Das sei eine schwierige betriebswirtschaftliche Kalkulation. Zudem könne die Marke leiden, wenn die online geweckten Erwartungen stationär enttäuscht werden. Das Re-commerce-Unternehmen für den An- und Verkauf von gebrauchten Büchern und Medien, Momox.de, hat seine fünf Filialen etwa schließen müssen, weil sie sich nicht rentiert haben (siehe Interview). "Ebenso wenig wie ein stationärer Händler nebenher einen Online-Shop erfolgreich betreiben kann, kann ein Online-Händler nebenher stationäre Geschäfte eröffnen. Retail is detail - online wie offline", betont IFH-Geschäftsführer Hudetz.

Wenn er sich den Markt und die Kundenerwartungen anschaue, gebe es für ihn nur eine logische Konsequenz: "Wir sehen das Ende des Pure Play, stationär wie online. Intelligenten, kundenorientierten Multi-Channel-Konzepten gehört die Zukunft - Zalando & Co. machen es vor." (vj)

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