31.03.2004 - Nonprofit-Organisationen (NPOs) müssen sich auf eine anhaltende Professionalisierung des Spendenmarketings einstellen, sagt Dr. Thomas Kreuzer. Damit formuliert der Fundraising-Akademie-Geschäftsführer das Kernergebnis einer Umfrage, die ONEtoONE unter Spendenmarketing-Experten durchführte.
Im Zentrum standen die größten Herausforderungen an Fundraiser. "Im Nonprofit-Bereich wird es immer und ewig darauf ankommen, Menschen bei ihren Wertvorstellungen und Einstellungen zu bestimmten Themen zu packen", sagt Sandro Matzke, Senior Research Consultant im Bereich Fundraising bei TNS Emnid. Daher sei der verstärkte Einsatz psychografischer Marketing-Instrumente, deren Ergebnisse sich unmittelbar in Aktionen umsetzen lassen, der Zukunftstrend schlechthin. Matzke: "Effiziente Kanäle sorgen dafür, dass Kommunikation gezielt Menschen erreicht, zu denen die Botschaften passen."
Ähnliches aus dem CRM: Datamining und Kundenbindungskonzepte wie Qualitäts- und Beschwerdemanagement optimieren die Spenderkommunikation. Davon ist Dirk Langnau, Leiter Kundenmanagement Fundraising des DM-Dienstleisters AZ Direct in Gütersloh überzeugt. Eine der größten Herausforderungen im Spendenmarketing sieht er in den strukturellen Problemen einiger NPOs begründet. Etwa durch die Überalterung der Zielgruppe oder den Wertewandel in der Gesellschaft. "Die demografische Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten in Deutschland wird zu einem noch stärkeren Wettbewerb um das Spendenbudget des einzelnen Verbrauchers führen", so Langnau.
Hinzu kommt laut Prof. Dr. Michael Ceyp (FH Wedel) der Verlust der gesellschaftlichen Mitte: Die Kluft zwischen spendenbereiten Bürgern, die NPOs aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr in bisherigem Umfang unterstützen können, und der Top-Spender-Klientel werde größer. Ceyp: "Die Herausforderung für Fundraiser ist, beide Zielgruppen zu identifizieren und mit geeigneten Instrumenten und Argumenten zur Spende zu bewegen."
Trotzdem würden die Möglichkeiten neuer Instrumente wie Mobile Marketing und professioneller Analyse-Tools - verknüpft mit Mikrogeografie und Geoinformationen - häufig nicht in Anspruch genommen, sagt Anja Wetzel, Manager Marketing von Consodata in Planegg. "Fundraiser haben Vorbehalte, bereits im Vorfeld in die Rentabilität ihrer Aktionen zu investieren."
Dass investiert werden muss, scheinen die NPO-Vorstände indes erkannt zu haben, sagt Dr. Christoph Müllerleile, Chef vom Büro für Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising in Oberursel. Zwar würden Fundraising-Instrumente hier zu Lande "nicht im gleichen Maße professionell genutzt wie im kommerziellen Bereich oder in besser entwickelten Nonprofit-Märkten wie den USA oder den Niederlanden". Aber: "Die Trends gehen zur individuellen Betreuung von Förderern." Durch eine möglichst individuelle, im Ton persönlich angemessene Ansprache werde das Spendenmarketing wieder zu seinen Ursprüngen geführt, sagt Peter Schmitz, Inhaber des BFSK Büro für Soziale Kommunikation in Reinbek und Managing Director der Berliner FRC Fundraising Company. Fundraiser müssten wissen, "welche Menschen die höchste Affinität für welche Spendenzwecke über welche Kanäle mit welchen kommunikativen Rahmenbedingungen haben". Bei dem Versuch, potenzielle Spender in Förderer umzuwandeln, reiche ein einziger Kanal jedenfalls kaum aus. Daher liege die Zukunft im Multichannel-Marketing. Aber: "Hier ist noch viel zu erforschen und zu testen, um es den spezifischen Anforderungen des Fundraising anzupassen", sagt Schmitz.
Bei der Projektgestaltung ist ebenfalls Individualität gefragt: "Für die Aktivierung und das Involvement von Spendern bietet sich eine individuell zugeschnittene Massenproduktion an", sagt Joachim Dettmann, Nonprofit-Manager und Consultant in Berlin. "Mass Customization" komme dem Ruf nach Individualität nach, indem der Kunde sein persönliches Produkt gestalten kann - konsequenterweise bereits in der Entwicklungsphase. Der Spender werde zum Partner und bestimme das künftige Angebot aktiv mit. "Das verringert zugleich das unternehmerische Risiko der Nonprofit-Organisation", sagt Dettmann. "Es ist letztlich der Spender, der über Top oder Flop eines Spendenprojekts auf dem Markt entscheidet."
Der Spender müsse gebunden werden: Durch neue, kreative und lokal kulturadaptierbare Methoden werde gemeinnützige Arbeit, etwa die Einrichtung und Unterhaltung eines Hospizes, erst planbar. "Wir haben es heute im Spendenwesen mit den so genannten Wechslern zu tun, die ihre Spendenorganisation bald ebenso leicht wechseln wie die Telefongesellschaft, eine Sportart oder sogar den Lebensgefährten", sagt Dettmann.
Der direkte, persönliche Kontakt spielt bei der Kundenbindung eine erhebliche Rolle. Beschwerdemanagement ist Herausforderung und Chance zugleich, die Abwanderung eines Förderers zu verhindern, sagt Matthias Malik, Geschäftsführer des Call-Center-Betreibers Direct Line. "Interessanterweise entstehen aus professionellem Beschwerdemanagement oft die treusten Fördermitglieder." Auch nach Eingang der Spende darf der persönliche Kontakt nicht abbrechen: "Die Wertschätzung der geleisteten Unterstützung und kompetente Informationen über die Fortschritte der unterstützten Projekte geben dem Spender die Sicherheit, das Richtige getan zu haben und ein unverzichtbarer Teil seiner Organisation zu sein", so Malik.
Wichtig im Fundraising ist es, "dass Spender an der Realisation von Projekten teilhaben", sagt Harald Meurer, Vorstandsvorsitzender vom Verein HelpDirect.org. Dies werde durch neue Technologien immer leichter möglich. Die Macht der Bilder werde zunehmend in Life-Videos im Internet genutzt. "Kritisch wird die Abgrenzung zu echtem Leid", warnt Meurer. Es liege in der Verantwortung der Organisationen, welche Themen und Bilder kommuniziert werden.
Apropos Internet: Helene Reuther, geschäftsführende Gesellschafterin der Agentur Morgenwelt in Köln, räumt dem Web großes Fundraising-Potenzial ein. Weil es Begegnungen mit (künftigen) Förderern persönlich und verbindlich inszeniert - laut Reuther übrigens "eine der vornehmlichen Aufgaben in der Spendenwerbung". Und: "Online-Angebote werden demnächst für die Ansprache der Hauptzielgruppe 50-Plus als vollwertiges Kommunikationsinstrument nutzbar, weil die künftige Zielgruppe in das Medium quasi hineinwächst", so Reuther.
Einen weiteren Trend sieht sie im Schulterschluss mit Organisationen, die ähnliche Themen bedienen. Das verhindere den Untergang in der Masse, möglichst ohne dass sich die Partner gegenseitig das Wasser abgraben. So hätte sich das Gemeinschaftsprojekt vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Kindernothilfe als Spendenbringer erwiesen. Fazit: Nonprofit-Organisationen stehen komplette Strategie- und Instrumentenpaletten zur Verfügung. Richtig eingesetzt verheißen diese Erfolg, Effizienz und Effektivität. Es besteht nach Müllerleiles Worten jedoch die Gefahr, dass sich zunehmend schwarze Schafe im Markt tummeln. "Oder auch solche, die sich nicht auf die Besonderheiten des Nonprofit-Sektors einstellen könnnen und meinen, alles funktioniere so wie im kommerziellen Bereich." ks
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