04.02.2005 - Möhlmann im Februar
Neulich las ich in der U-Bahn einen sehr interessanten Artikel über die Servicequalität in den USA und darüber, wie wichtig die gute Dienstleistung für die Kundenbindung ist, und da kam mir doch die Idee, gleich einmal zu überprüfen, wie es denn damit in unserem Lande derzeit so bestellt ist. Also kehrte ich fröhlich in ein Schuhhaus ein, nicht zuletzt auch, um bei dieser Gelegen-heit Ausschau nach atmungsaktivem Freizeitschuhwerk zu halten.
Der anwesende Verkäufer - das fiel mir sofort auf - machte einen recht lustlosen Eindruck. Lustlose Verkäufer erkennt man daran, dass sie in Ruhe ihre SMS zu Ende schreiben und abschicken, bevor sie dem Kunden ihr Halbprofil zuwenden. Ich beschloss also unverzüglich, dem Tag des Burschen ein wenig Pep zu verleihen. "Haben Sie den hier auch in 41?", fragte ich und deutete auf ein flottes Etwas im Regal. "Da muss ich dann wohl im Lager nachsehen", kam es vorwurfsvoll zurück.
Ich nutzte die Zeit, um mir einen Überblick über aktuelle Geschmacklosigkeiten im Bereich der Fußbekleidung zu verschaffen. Der Trend geht mo- mentan - das wurde mir schnell klar - zum bunten Leichtschlappen. "Alte Menschen finden heute kaum noch Auswahl", begrüßte ich den Verkäufer, der nach etwa zehn Minuten mit einem Karton in der Hand wieder auf der Bildfläche erschien. "Ist doch genug da", war die grimmige Antwort.
Umständlich zog ich meinen rechten Schuh aus und schlüpfte in eines der neuen Exemplare. "Fällt etwas klein aus", murmelte ich, "ist vielleicht 42 da?" Die Augen verdrehend, verschwand der Verkäufer wortlos.
Ein paar Meter weiter revoltierte ein Kleinkind, bezichtigte seine Mutter der Blödheit und schlug nach ihr. "Das Händchen, das die Mutter schlägt, wird in der Hölle abgesägt!", rief ich laut. Alsbald kehrte Ruhe ein und der Verkäufer, noch immer nicht außer Atem, mit zwei Kartons zurück. "Ich habe sicherheitshalber ein Paar 43er mitgebracht", sagte er zynisch grinsend, "vielleicht wachsen Ihre Füße ja noch." Humor im Einzelhandel ist eine Seltenheit, da will man nicht gerne im Abseits stehen. "Sie haben Recht!", rief ich also nach ausgiebiger Anprobe beider Paare fröhlich, "ich glaube, dass ich Größe 44 brauche!"
Es ist gut, dass Verkäufer keine Schusswaffen tragen dürfen, dachte ich, und als der Verkäufer zurückkam, konnte ich mir nur mit Mühe die lustige Bemerkung verkneifen, dass Laufkundschaft für ein Schuhgeschäft doch unheimlich wichtig ist.
44 passte wie angegossen, ich bedankte mich herzlich. "Sind Sie einer von diesen Testern?", fragte mich mein Verkäufer beim Abschied. "Sie wissen schon, Service und so?" Ich sah mich prüfend um, nickte dann bedeutungsvoll und raunte ihm ein aufmunterndes "Keine Angst, Sie waren gut" zu. Es war tiefe Dankbarkeit, die ich in seinen Augen lesen konnte, und ich bin sicher, dass er seiner Kundschaft künftig freundlicher begegnen wird. Darauf Brief und Siegel.
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