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Hersteller: Wann sich der eigene Onlineshop lohnt - und wann nicht

17.09.2018 - Um es mit Friedrich Nietzsche zu sagen: Die Bewertung unseres Handelns ist immer eine Frage der Perspektive. Das trifft auch auf das Thema Vertikalisierung bei Herstellern zu. Der Reifegrad in den unterschiedlichen Branchen variiert sehr stark. Während es Branchen gibt, die bereits ganz weit vorne stehen, wie zum Beispiel Fashion, gibt es andere Branchen, wie den FMCG-Sektor, der im Online-Bereich noch immer unterentwickelt ist. Woran liegt es, dass es solche Unterschiede gibt? Thorsten Harras, Managing Partner der Unternehmensberatung Elaboratum, analysiert branchenspezifische Vertikalisierungsstrategien.

von Christina Rose

Nicht alle Branchen können in Punkto Vertikalisierung die gleiche Strategie fahren. Bekanntheit der Marke sowie die Branche der Hersteller beeinflussen das strategische Vorgehen. Adidas beispielsweise hat kürzlich in einer Kampfansage angekündigt, den eigenen Onlineshop zum wichtigsten Absatzkanal überhaupt zu machen. Bisher scheint Adidas diesen Weg recht erfolgreich zu gehen. Für andere Unternehmen - ungeachtet ihrer Bekanntheit - kann dieser Weg jedoch nicht erfolgreich sein. Der Grund: Unterschiedliche Branchen haben mit unterschiedlichen digitalen Verhaltensweisen ihrer Kunden zu tun. Und unterschiedliches Kundenverhalten bringt verschiedene Lösungsansätze und Zielsetzungen mit sich.

Ein paar Beispiele, wie unterschiedlich das digitale Kundenverhalten sein kann, je nach Hersteller und Branche:
- Ein Kunde ist seit Jahren der Marke Adidas treu und geht deshalb selbstverständlich in den Onlineshop von Adidas, da er dort die größte Auswahl aller aktuellen Kollektionen findet. Die starke Markentreue verbunden mit dem Kauferlebnis im Adidas Onlineshop ermöglichen es, den Onlineshop ins Zentrum der Digitalstrategie zu stellen.
- Anders verhält sich vielleicht schon ein Kunde, wenn er auf der Suche nach einer Outdoor-Jacke ist: Er sucht weniger nach einer bestimmten Marke
- geht also folglich nicht auf den eigenen Onlineshop, sondern sucht nach bestimmten Funktionalitäten. Da aber das Thema Nachhaltigkeit für ihn sehr wichtig ist, könnte es für ihn ein Argument sein, sich nach dem Kauf der Jacke in einer Online-Community zu registrieren, weil er damit einen Reparaturservice erwirbt.
- Der Nutella-Fan kauft sein Nutella-Glas zwar grundsätzlich beim Wocheneinkauf im Supermarkt, hat aber Interesse an gebrandeten Nutella-Produkten, da er der Marke sehr zugewandt ist. In einem Onlineshop würde er sich vor allem auf die Suche nach exklusiven Produkten machen, die es im Supermarkt nicht gibt.
- Ein berufstätiger Kunde kauft Drogerie-Produkte, die er regelmäßig benötigt online und schließt vorzugweise ein Online-Abo ab, das ihm den Service einer regelmäßigen Lieferung frei Haus bietet.

So individuell das Kundenverhalten je nach Hersteller und Produkt ist, so individuell muss auch die Vertikalisierungsstrategie sein. Es gibt keine Blaupause, die sich auf alle Hersteller übertragen lässt. Während es durchaus ähnliche Zielsetzungen geben kann, führt der Weg ganz klar darüber, die Bedürfnisse des Kunden im Mittelpunkt zu stellen. Technologien können ein Weg sein, diese zu bedienen, dürfen aber nicht Treiber für die Entwicklung einer geeigneten Strategie sein.

FMCG: Spagat zwischen Kundenbindung und Handelsbeziehungen


Werfen wir einen Blick auf die FMCG-Branche, wird eines offensichtlich: Es fehlen nachhaltige Konzepte und insbesondere bei den Direct-To-Consumer Bestrebungen herrschen große Unsicherheiten. FMCG-Hersteller tun sich nach wie vor schwer, geeignete Digitalstrategien zu entwickeln. Wie kann es ihnen gelingen, nachhaltig Kunden an die eigene Marke binden? Wie kann eine Digitalstrategie aufgesetzt werden, ohne dabei die Beziehung zum Handel nicht gefährden?

Ein paar Beispiele von Ups & Downs der Branchen-Riesen:
- Nestle stampfte nach einigen Jahren den "Online-Marktplatz" wieder ein, auf dem man die ganze Produktpalette online erwerben konnte.
- Auch Coke und Starbucks stellen ihre Onlineshops ein.
- Henkel beendet die Vermarktung über Amazon-Dash und betont auch in naher Zukunft auf den direkten Abverkauf an private Haushalte zu verzichten.
- Auch Ferrero setzt laut Vortag auf der K5 Konferenz zukünftig eher auf die Online-Derivate des LEHs (Rewe Online, Bringmeister oder Amazon) statt direkt an Kunden zu verkaufen.

Doch hier kommt wieder die Frage der richtigen Perspektive ins Spiel. Wie sollten wir den Erfolg einer Vertikalisierungsstrategie messen? Geht es wirklich immer um unmittelbare Gewinne, die erzielt werden sollen? Müssen sich die Unternehmen in der aktuellen Phase unter das Diktat der Profitabilität setzen (Revenue Fokus)? Oder sollte man Digitalisierungsprojekte nicht eher als Marketing-Instrument sehen? Wie ist der ROI hier zu sehen?

Die Erfahrung aus der Beratung unserer Kunden aus der FMCG-Branche hat gezeigt: Für die wenigsten geht es um den neuen Absatzkanal eines eigenen Onlineshops. Es geht vielmehr darum, einen neuen Kanal in Bezug auf seine Technologie und Wirkungsweise zu verstehen. Es geht um Kundenbindung, den Aufbau eines Dialogs und damit die Etablierung einer starken digitalen Marke. Und es geht darum, Datenpunkte langfristig aufzubauen und über agile Test- and Learn-Methoden mehr Inhouse-Kopmetenz zu erzeugen. Wichtigste Grundlage für die Entwicklung einer geeigneten Digitalstrategie ist es, die Kundenbedürfnisse in den Fokus zu stellen. Wer sich von den Möglichkeiten der Technologien treiben lässt, entwickelt die Digitalstrategie an seinen Kunden vorbei und wird damit keinen Erfolg verzeichnen können.

Fünf Argumente für den Ausbau digitaler Touchpoints in der Lebensmittelbranche:


#1 Markenenthusiasten fragen oft nach speziellen Produkten nach.
Sei es der gebrandete Nutella-Toaster oder die Figuren Milky (Milchbecher) und Schoki (Schokoriegel) aus der Werbung von Kinderschokolade: Es gibt immer Markenenthusiasten, welche diese Produkte tatsächlich nachfragen. Seit es soziale Medien gibt, wird diese Nachfrage mit deutlich weniger Aufwand messbar. Unternehmen, die dieser Nachfrage nachkommen, können die Markentreue ihrer Kunden stärken und sie zu echten Fans machen. Bei den Beweggründen der Konsumenten, im Onlineshop zu kaufen, spielt vor allem der Faktor der Exklusivität eine wichtige Rolle. Sie wollen dort Produkte finden, die es im Laden nicht gibt.

#2 "Tipping point" für den Einsatz von Digitalstrategien - digitaler Fingerabdruck erforderlich.Wer sich jetzt nicht mit dem Digitalverhalten seiner Kunden auseinandersetzt, läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Die Folge: Offline-Marktführer könnten zukünftig von Online-Marktführern abgelöst werden, die auf innovative digitale Geschäftsstrategien setzen. Große Unternehmen mit einer hohen Marktmacht müssen diese aus dem Offline-Bereich in den Online-Bereich verlängern. Dafür kann es sinnvoll sein, digitale Allianzen zu bilden oder auf strategische Investitionen in Online-Plattformen zu setzen. Damit können sich Unternehmen die Online-Expertise von außen einkaufen und in ihre eigenen Geschäftsmodelle integrieren. Ein paar Beispiele: Henkel kooperiert mit der Alibaba-Group, Unilever kauft den Dollar Shave Club oder Nestle investiert in Freshly.

#3 Neue Technologien haben das Potenzial, Platzhirsche und Marktführer zu verdrängen. Eine digital starke Marke wird überlebenswichtig sein.Unsere Suche nach Produkten wird sich in Zukunft dramatisch verändern. Das wird auch große Marken nicht unberührt lassen. Egal, wie stark eine Marke offline ist: Für die digitale Produktsuche ist das noch lange kein Garant, dass das so bleiben wird. Wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang sind Digitale Sprachassistenten: Was passiert, wenn wir zukünftig unsere Einkäufe über Voice steuern? Wir suchen beispielsweise mittels Spracheingabe nach Schokoriegeln und bekommen einen passenden Vorschlag, den wir vielleicht sogar kaufen, ohne ihn gesehen zu haben. Deshalb müssen sich FMCG-Hersteller bewusst werden: Offline-Marktführerschaft bedeutet keineswegs auch Online-Markführerschaft. Dafür sind digitale Strategien notwendig, um eine digital starke Marke aufzubauen und auch in Zukunft bestehen zu können.

#4 Neue Gesetzgebungen in der Werbung und Kommunikation erfordern ein strategisches digitales Touchpoint Management. Gerade für die Süßigkeitenhersteller ist die neue Gesetzgebung in der Werbung ein relevanter Punkt: Werbeverbote oder Platzierungsverbote in der so genannten "Quengelzone" im Supermarkt machen es für Hersteller immer schwieriger, ihre Produkte zu vermarkten. Weitere Einschränkungen werden folgen wie beispielsweise das Verbot von berühmten Kinderfiguren zu Werbezwecken. Strategisches digitales Touchpointmanagement wird also mehr und mehr zum relevanten Marketingtool.

#5 Kundendaten richtig nutzen, um Marken-Führerschaft zu behalten.Ziel muss es sein, mit den Kunden in einen digitalen Dialog zu treten und die Erlebnisse zwischen Offline-Welt und Online-Welt zu verknüpfen. Ein Onlineshop kann dabei helfen, bessere Consumer Insights zu erheben und so die digitalen Touchpoints besser bestimmen zu können.

Fazit

Unterschiedliche Branchen gehen in der Vertikalisierung unterschiedliche Wege. Jeder Hersteller muss für sich klar definieren: Was ist das Ziel meiner Digitalstrategie? Und wie messe ich den ROI? Die Unternehmen haben erkannt: Am Ausbau der digitalen Touchpoints führt kein Weg vorbei. Doch wer nur mit Blick auf einen eigenen Onlineshop plant, denkt zu kurz. Im Zentrum jeder Digitalstrategie müssen die Kundenbedürfnisse stehen, nicht die technischen Möglichkeiten im Zuge der Digitalisierung.



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