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Schwarmintelligenz

Crowdsourcer streben Professionalisierung an

27.11.2013 - Die Anzahl der Crowdsourcing-Plattformen nimmt zu. Dr. Michael Gebert, Vorstand des noch jungen Deutschen Crowdsourcing Verbands, will sie in seiner Organisation vereinen und betreibt derzeit Lobbyarbeit auf Deutschland- und EU-Ebene für das Thema, um rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Im Gespräch mit ONEtoONE beschreibt er, welche Ziele der Verband erreichen will und welchen Nutzen Marketingfachleute aus der Disziplin Crowdsourcing ziehen können.

Es gibt derzeit einen Paradigmenwechsel im Management, der durch offene Umgebungen hervorgerufen wird", schrieb Tim Schikora, Mitgründer der Unternehmensberatung Insight Innovation Anfang dieses Jahres auf dem Portal Crowdsourcingblog.de. Noch vor wenigen Jahren hätte niemand vermutet, dass ein freiwilliger Zusammenschluss von Menschen in ihrer Freizeit eine bessere Enzyklopädie hervorbringen könnte als hunderte bezahlte Mitarbeiter, so Schikora weiter. Er plädiert dafür, dass sich Unternehmen den Chancen der Schwarmintelligenz, also der Auslagerung von Aufgaben in eine heterogene, unabhängige Gruppe, öffnen. Management in offenen Umgebungen, wie zum Beispiel über Crowdsourcing-Plattformen, ermögliche "Zugang zu neuen Erkenntnissen, die unter den bisherigen Managementmethoden nicht erreichbar wären".

[f2]Verschiedene Unternehmen nutzen bereits Crowdsourcing-Methoden, um bestimmte Aufgaben auszulagern oder Ideen-Input einzuholen (siehe Foto). Fast-Food-Unternehmen lassen ihre Endkunden eigene Produkte kreieren, Online-Händler lassen Rezensionen durch Crowd-Mitglieder überprüfen und lektorieren, einige Unternehmen lagern sogar Kreativ-Jobs über Crowd-Plattformen aus.

"Crowdsourcing kann ein Game-Changer für mehrere Branchen sein", sagt Dr. Michael Gebert. Der Inhaber der Beratungsfirma Marketing Society, die Unternehmen in Crowdsourcing-Fragen unterstützt, ist erstmals 2010 bei einem Kongress in den USA auf das Thema aufmerksam geworden. Mittlerweile betreibt Gebert als Vorstandsmitglied im Deutschen Crowdsourcing Verband Lobbyarbeit auf EU- und Deutschlandebene, um arbeitsrechtliche Grundlagen für die Disziplin zu schaffen. "Gerade im Bereich Leistungserbringung sind einige Themen noch nicht letztlich geklärt", sagt Gebert. Es sei zum Teil noch Interpretationssache, ob die eigentliche Arbeitsleistung nun über die Plattformbetreiber entstehe oder über die jeweiligen Crowd-Mitglieder. Damit Dienstleister und Unternehmen eindeutige rechtliche Grundlagen vorfinden können, wirbt der Verband für Aufklärung um das Thema. Freelancer sollen vertragliche Fundamente erhalten können, für Auftraggeber wünscht sich der Verband eine Absicherung bei steuerrechtlichen Problematiken.

[hl]Definition schreibt Kontrollverlust vor[/hl][f1]Es gibt laut Michael Gebert, der seine Doktorarbeit an der Universität von South Wales über Crowdsourcing verfasste, keine allgemeingültige Definition von Crowdsourcing. Den Begriff erdacht hat der "Wired"-Journalist Jeff Howe. Er definierte den Crowdsourcing-Vorgang so, dass eine bestimmte Tätigkeit an eine möglichst heterogene, in sich nicht abgestimmte Gruppe, abgegeben wird. Hier sei der Unterschied zum Outsourcing wichtig. Denn beim Outsourcing werden Tätigkeiten laut Gebert an in sich abgestimmte Gruppen vergeben. Crowdsourcing habe aber immer das Ziel, heterogene Massen anzusprechen, denn nur diese könnten das bestmögliche Ergebnis erzielen und hätten die größte Chance auf eine optimale Lösung. In seiner Beratungstätigkeit würden Unternehmen oft "reflexartig" dazu tendieren, heterogene Gruppen in homogene umzuwandeln. Dem versuche Gebert immer wieder entgegenzusteuern.

Ein Kritikpunkt, mit dem sich der Berater häufiger auseinandersetzen muss, sei der Verfall von Preisen. "Das ist eine Entwicklung, die nicht aufzuhalten ist. Aber ich glaube, der Preis hat definitiv einen Schwellenwert, und Projekte werden beim Crowdsourcing nicht verramscht. Auch auf Crowdsourcing-Plattformen gibt es sehr hochpreisige Projekte." Die Kosten wären im Vergleich möglicherweise niedriger, aber sie seien transparenter. Und im Zweifel würden bislang übliche Kosten für Unit-Leiter, Umlagekosten oder hohe Personaldecken in Agenturen wegfallen.

[hl]Möglichkeiten für das Marketing und Erfolgsfaktoren[/hl]Marketing-Fachleute können Crowdsourcing laut Gebert in verschiedenen Bereichen einsetzen. Dazu zählen zum Beispiel Kreation, SEO, Sales oder Empfehlungsmarketing. "Im Prinzip ist Crowdsourcing eine neue Interpretation des klassischen Pitches." Wer eine Aufgabe auslagere, der erhalte eine große Mannigfaltigkeit an Ideen und eine hohe Vergleichbarkeit. Dies sei ein "Horrorszenario" für Agenturen.

Crowdsourcing kann für Unternehmen also zum einen eine güns-tige Alternative zur Auslagerung von standardisierten Aufgaben sein, zum anderen aber auch die Möglichkeit, komplexe Aufgabenstellungen lösen zu lassen. Nicht zuletzt nutzen Firmen die Plattformen aber auch zur Suche neuer Talente und Mitarbeiter, weil speziell die junge Generation ein "neues Verständnis von Arbeit habe" und oft nicht nur für ein einziges Unternehmen arbeiten möchte, so Gebert. Zudem kann Crowdsourcing aber offenbar auch im Bereich Kundenbindung eingesetzt werden:

In einem Gastbeitrag für ONEtoONE formulierte Professor Heinrich Holland (University of Applied Sciences Mainz und Deutsche Dialogmarketing Akademie) bereits "Die zehn wichtigsten Merkmale von Crowdsourcing-Kampagnen" (siehe OtO 3/13). "Beim B-to-C-Crowdsourcing werden Aufgaben ausgelagert, die traditionell von den eigenen Mitarbeitern erledigt wurden. Diese sollen nun von einer großen Masse externer Akteure gelöst werden. Die Aufgaben, die an die Crowd weitergegeben werden, sind vielfältig. Sie reichen von der Übersetzung von Schriftstücken bis hin zur Entwicklung des Produktdesigns", so Holland. Dabei ginge es Endkunden oft um "Spaß" und "Identifikation". "Die beiden Motive Spaß und Identifikation sind bei den meisten Konsumenten so stark ausgeprägt, dass sie allein bereits zur Teilnahme an einer Crowdsourcing-Kampagne führen würden", sagte Holland. Dennoch seien extrinsische Anreize wichtig. So würden indirekte materielle Motive, wie der Gewinn einer Reise oder eine Beteiligung am Umsatz, als attraktiv angesehen. Aber auch soziale immaterielle Motive, wie Darsteller in einem Werbespot zu sein, würden häufig erfolgreich als Anreiz eingesetzt. Holland wertete in einer Untersuchung Crowdsourcing-Kampagnen von Coca-Cola, Henkel, Unilever und anderen aus.

Unternehmen haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten, Crowdsourcing-Projekte umzusetzen. Dabei kann die Entscheidung entweder auf die Erstellung einer eigenen, individuellen Plattform fallen, wozu in der Regel große Konsumgünterhersteller tendieren, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Oder man entscheidet sich für die Nutzung einer bereits bestehenden Community. Es gibt Plattformen, deren Communities teilweise aus technischen Freelancern bestehen oder eben auch aus freien Kreativen. Als Tipp: Auf der Website Crowdcommunity.de finden sich mehrere Listen verschiedener Plattformen, aufgeteilt nach Kreation, Text, Testing oder Crowdfunding.

[hl]Events und Netzwerke[/hl]Neben dem Deutschen Crowdsourcing Verband (der Mitglieder wie die Plattformen 12Designer, Web de Cologne, Clickworker oder Testhub zu sich zählt) gibt es für Interessierte auch verschiedene Events zum Thema. Am 21. November fand zum Beispiel der Kongress "Crowd Dialog" in München statt. Dabei sprachen 36 Referenten aus Wirtschaft und Wissenschaft zu Themen wie "Crowdfunding für den Mittelstand" oder "Praxisupdate Recht". Auch internationale Initiativen sind zu finden. Die Vereinigung Crowd Sourcing Week veranstaltet regelmäßig Kongresse zum Thema. Am 3. Oktober fand der Crowdsourcing Summit in London statt, der nächste soll ab dem 7. April 2014 in Singapur stattfinden. (db)

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